fullscreen: [Schulj. 6, [Schülerbd.]] (Schuljahr 6, [Schülerband])

18 
der Hase oder der St. Nikolaus oder gar das Christkindlein 
selbst gebracht hatten. - Je mehr sich die Kindlein über die 
reichen Spenden freuten, desto näher rückten sich die Herzen 
der beiden Frauen. 
Aber ihre Männer hatten ein jeglicher einen Hund, der 
Gerber als Iagdliebhaber einen großen, braunen Feldmann 
und der Bäcker einen kleinen, schneeweißen Mordax. Beide 
meinten, die besten und schönsten Tiere ihrer Art zu haben. 
Nun geschah es eines Tages, daß Mordax ein Kalbsknöchlein 
gegen den Feldmann behauptete; denn er hatte wahrscheinlich 
vergessen, daß es nicht gut sei, einem großen Herrn etwas abzu¬ 
schlagen. Vom Knurren kam es zum Beißen, und ehe sich der 
Bäcker von seiner grünen Bank vor dem Hause erheben konnte, 
lag sein Hündlein mit zermalmtem Genick vor ihm, und der 
Feldmann lief mit dem eroberten Knochen und mit eingezogenem 
Schweife davon. Sehr ergrimmt und entrüstet warf der Herr 
des Ermordeten dem Raubmörder einen gewaltigen Stein nach. 
Aber, was half's? Die Handgranate flog nicht dem Hunde 
an den Kopf, sondern dessen Besitzer durch das Fenster, mitten 
auf den Tisch, an dem er gerade die „Augsburger" las, und 
machte in die Zeitung ein großes Loch. Ohne zu fragen, 
woher der Schuß gekommen sei, riß der Gerber den zer¬ 
trümmerten Fensterflügel auf und fing an zu schimpfen. Der 
Nachbar in der weißen Schürze und mit den aufgestülpten 
Hemdärmeln blieb nichts schuldig. Der Bäcker verließ den 
Kampfplatz zuerst, aber nur, um seinen Nachbar bei Gericht 
zu belangen. Die Sonne ging über dem Zorne der beiden 
Männer unter, und den Tag darauf wurden sie vor Gericht 
geladen. Der Gerber wurde verurteilt, den totgebissenen Mordax 
mit einem Reichstaler zu büßen, und der Bäcker mußte für 
den zertrümmerten Fensterflügel und das Loch in der Zeitung 
nicht viel weniger bezahlen und sich mit seinem Widerpart in 
die Gerichtskosten teilen. 
Von nun an war zwischen den beiden Familien große 
Feindschaft. Hinüber und herüber über die Gasse flog kein 
freundliches Wort mehr. Nahm die Gerberin ihren Weg links 
zur Kirche, so ging die Nachbarin rechts; saß der Bäcker im 
Posthause in der Stube beim Bier, so nahm der Gerber seinen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.