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Die römische Geschichte: 600—266.
Prätoien, welche nach Ablauf des Jahres verantwortlich waren
Diese Herrschaft wurde nach der Wahl noch vom Volke durch einen
feierlichen Akt übertragen.
In Zeiten der Noth übertrug der Senat, um die Gewalt in eine
Hand zu legen, einem Consul die Wahl des Diktators oder
magister populi aus den Consularen mit oder ohne Angabe des
Namens. Der Erwählte besass höchstens auf sechs Monate alle Ge¬
walt ohne Einschränkung, ohne Verantwortung und ohne Collegen.
Die Prätoren waren ihm untergeordnet. Sein nächster Unterbefehls¬
haber war der von ihm ernannte magister equitum. Ob Titus Larcius
erster Diktator gewesen, und wann ein solcher zuerst gewählt ist, bleibt
zweifelhaft.
Mit mehr Einfluss trat der neu ergänzte Senat (auch aus den
Plebejern? daher patres et conscripti?), dessen Mitglieder lebenslänglich
waren, den Prätoren berathend und ordnend zur Seite. Er brachte
auch die Anträge vor die Volksversammlung und führte deren Be¬
schlüsse aus, leitete die äussern Angelegenheiten und wachte über
Religion und Sitte.
Auch die Volksversammlung (welche?) wird in der Republik
thatsächlich an Macht gewonnen haben und in den wichtigsten Ange¬
legenheiten um die Entscheidung angegangen sein.
Das höchste Gericht und die Souveränität stellte Valerius
durch ein Gesetz"^) dem Volke sicher. Die Lictoren entfernten in der
Stadt aus den Ruthenbündeln die Beile. Er soll deshalb den Beinamen
Poplicola erhalten haben.
207. Die Rechts- und Vermögensungleichheit. Die junge Republik
machte wie nach aussen, so auch nach innen Rückschritte. Die Patricier
verweigerten selbst die Rechtsgleichheit des Connubiums, welches
Plebejer mit ihnen eingingen. Die Priestercollegien aus ihrer Mitte
zu besetzen, hielten sie für ein den Göttern zustehendes Recht. Die
durch Vertreibung der Könige gewonnenen Vortheile fielen grössten-
theils ihnen zu. Sie herrschten im Senate, der bald von ihnen allein
besetzt war, und hatten in der Centuriatversammlung das Uebergewicht.
Die beiden höchsten Magistrate (welche?) waren Patricier.
Im Besitze trat ein noch ärgeres Missverhältniss zu Tage. Während
der fortgesetzten Kriege verarmte besonders der in Latium wohnende
kleine plebejische Grundbesitzer, der seinen Acker dabei vernach¬
lässigte und denselben oft bei der Rückkehr verwüstet fand. Durch
hohe Steuern und das grausame römische Schuldrecht wurde er vol¬
lends zu Grunde gerichtet.
Das Darlehn wurde immer nur für ein Jahr gegeben, und der Gläubiger'
durfte, wenn er nicht befriedigt wurde, ohne Dazwischenkunft, der Obrigkeit
durch die Handauflegung die Person und die Familie des Schuldners in Arbeits¬
häusern unterbringen oder als Sklaven verkaufen.
Die Vortheile des Krieges fielen den reichern Patriciern zu. Sie
bereicherten sich als Pächter der Steuern (mittelbares Steuersystem)
oder als Lieferanten. Nach römischer Sitte wurde den Besiegten ein
Iheil des Landes, vielleicht ein Drittel, genommen und vom Senate
der beliebigen Benutzung überlassen. Thatsächlich gewiss, vielleicht
*) Ne quis ullurn magistratum sine prövocatione crearet.