Europa unter Napoleons Gewaltherrschaft.
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in Gefangenschaft und machte seinen Bruder Joseph zum Könige des
aufständischen Landes. Neapel gab er Mur at, dessen Herzogtum
(welches?) einem Sohne seines Bruders Louis.
Seine Gewaltherrschaft erreichte ihren Höhepunkt, als er in Erfurt (wann?)
mit Alexander („Die Freundschaft eines grofsen Mannes ist eine Gnadengabe der
Götter“) in Gegenwart der unterwürfigen Rheinbundfürsten, des Kaisers Franz,
der uneingeladen erschienen war, und eines preufsischen Prinzen eine Teilung
Europas und des türkischen Reiches verabredete. Diese Tage, äufserlich ähnlich
den kaiserlichen Reichstagen im Mittelalter, bezeichnen das äufserste Mafs der
Erniedrigung deutscher Fürsten.
Um gleich dem Zar auch über die Kirche absolut zu herrschen,
hob er 1809 die weltliche Macht des Papstes auf, führte ihn gefan-1809
gen nach Frankreich, verband Rom mit demselben und verordnete,
dafs der älteste Sohn des Kaisers König von Rom genannt werden
solle. 1810 liefs er sich von seiner Gemahlin Josephine scheiden und 1810
heiratete Marie Luise, die Tochter des Kaisers Franz. Da der „gute
König* Louis durch die Kontinentalsperre Holland nicht zu Grunde
richten wollte und abdankte, wurde Holland als „Alluvion französischer
Flüsse“, zugleich aber auch Oldenburg, ein grofser Teil Westfalens,
das Grofsherzogtum Berg, Ostfriesland und die Hansestädte Frank¬
reich einverleibt, welches damit 130 Departements umfafste
(Karte!).
Dieses gewaltige Reich war in Präfekturen und Unterpräfekturen geteilt.
Kirche und Kultus, sowie die christliche Zeitrechnung wurden wieder hergestellt,
ein bürgerliches Gesetzbuch, Code Napoleon, vollendet, worin Geschworenenge¬
richte und öffentliches Gerichtsverfahren beibehalten waren. Die Regierung selbst
war despotisch. Aber selbst Mifsachtung der Freiheit und des Wahlrechtes,
Aufhebung des Tribunates, welches noch allein eine selbständige Macht auszu¬
üben berechtigt war, harte Konskriptionsgesetze, drückende Steuern ertrug das
französische Volk im Hinblicke auf die Gloire, die Förderung von Kunst und
Wissenschaft, Handel und Gewerbe (3 Alpenstrafsen, Brücken und Kanäle, grofs-
artige Bauten in Paris).
156. England und Skandinavien. Von den Staaten Europas war
England vor Napoleon am sichersten. Seit dem ersten Koalitionskriege
stand es mit kurzer Unterbrechung (wann?) gegen Frankreich im
Kriege und nahm unter dem zweiten Ministerium Pitt an allen euro¬
päischen Kämpfen zu Wasser und zu Lande, mit Waffen, durch Sub-
sidien oder Unterhandlungen regen Anteil. Die Befehle Napoleons an
seine Admirale zeugten von geringer Einsicht. Im dritten Koalitions¬
kriege zertrümmerte Nelson, der beliebteste Seeheld der Engländer, 1805
bei Trafalgar in 3 Stunden die stärkere und mit Sorgfalt ausge¬
rüstete französische Flotte („England erwartet, dafs jedermann seine
Schuldigkeit thue“, sein Tod; gleichzeitig Macks Gefangennahme, wo?).
Lange blieb England die einzige Seemacht. In ohnmächtiger Wut
verhängte Napoleon von Berlin aus (wann?) die Kontinentalsperre
über England, nach dem Worte eines französischen Finanzmannes „die
unseligste und unrichtigste aller fiskalischen Mafsregeln“. Während
Frankreich dadurch bedeutend litt, die übrigen Staaten nur mit Ge¬
walt und teilweise dazu gezwungen werden konnten, entschädigte sich
England durch Wegnahme aller Kolonieen und Eröffnung neuer Wege
für seinen Handel.
Um nicht auch Dänemark, das bis dahin neutral gewesen war, Napoleon