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hatte, die Treppe hinab. Der Kronprinz aber zog ein Geld¬
stück hervor, überreichte es der Kleinen und flüsterte: „Hier,
Kleine, lauf schnell und hole Brot und Wein." Schnell wie
der Wind eilte das Kind davon und kam bald freudestrahlend
zurück, ein großes Brot im Arme und eine Flasche Wein in
der Hand. Der Kronprinz zog sein Messer aus der Tasche,
entkorkte die Flasche und reichte sie der Kranken dar. Das
Mädchen aber mußte ein Stück Brot abschneiden, und mit
zitternder Hand führte die Kranke Brot und Wein zum
Munde. Als sie sich erquickt hatte, sprach die Kranke schluch¬
zend : „Gott lohne es Ihnen! Ohne Sie wären wir ver¬
hungert." Der Kronprinz legte darnach eine hohe Kassen¬
anweisung auf den vor dem Lager stehenden Schemel und
sagte: „Hier, liebe Frau, ist Geld zu einem zweiten Brote."
Als der Kronprinz sich darauf zum Gehen wandte, trat der
Arzt, den der kronprinzliche Diener herbeigerufen hatte, in
die Bodenkammer, verneigte sich ehrfurchtsvoll vor dem Kron¬
prinzen und untersuchte sodann die Kranke. Der Kronprinz
aber schritt leise und unbemerkt davon. Als der Arzt seine
Verordnungen gab und bemerkte, daß er jetzt jeden Tag kom¬
men werde, und daß sie sich wegen seines Honorars keine
Sorge machen solle, da er die Anweisung habe, auch die
Rechnung in der Apotheke zu bezahlen, fragte die Frau:
„Wer war der fremde Herr?" — „Das war der Kronprinz
von Preußen!" sagte der Arzt.
Da faltete die Frau ihre Hände und schickte ein stilles
Dankgebot empor zu dem, der unser aller Vater und Er¬
retter ist.
Während eines Manövers in Sachsen besuchte Kaiser
Wilhelm in Begleitung des Kronprinzen, vieler Fürstlichkeiten
und Generäle, die Gärtnersladt Erfurt. Die zahlreich ver¬
sammelte Jugend bewillkommnete besonders stürmisch den
Kronprinzen, den sie in ihr Herz geschlossen hat. Dieser
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