Full text: Deutsch-Afrika und seine Nachbarn im schwarzen Erdteil

XII Vorwort. 
Bevölkerung in jährlich steigenden Verhältnissen die Nahrungs- und 
Genußmittel vom Auslande zuführen läßt, ohne daß letzteres, das 
selbst eine übermächtige Industrie besitzt, ein genügendes Äquivalent 
an Jndustrieprodukten dagegen abnimmt, allmählich, wie Hindostan, 
der Verarmung entgegengeht und jedenfalls seine politische Unab- 
hängigkeit nicht behaupten kann. 
Als endlich diese Überzeugung bei den maßgebenden Stellen 
feststand, trat zur Überraschung des Auslandes und anfangs zu nicht 
geringem Ärger unserer kosmopolitischen Träumer die deutsche Ko- 
lonialpolitik, durch die Reichskanzlei energisch gefördert, praktisch ins 
Leben und stellte in kaum drei Jahren eine Reihe von Kolonial- 
gebieten in Afrika und Melanesien, deren Gesamtareal an Umfang 
60 000 deutsche Quadratmeileu weit übersteigt, unter den Schutz der 
deutschen Reichsflagge, sicherte diesen Besitz durch Verträge mit Eng- 
land, Frankreich und Portugal und eröffnete so den nationalen Spann- 
krästen ein weites, für Jahrhunderte ausreichendes Feld der Thätig- 
keit. Mit diefer großartigen welthistorischen Thatsache ist das Deutsche 
Reich aus eine seiner Machtstellung würdige Weise in die Reihe der 
Weltmächte mit überseeischem Länderbesitz eingetreten. 
Als nach der Entdeckung Amerikas England und die romanischen 
Nationen sich mit Eifer und großartigen Erfolgen auf den über- 
seeischen Handel warfen, blieb Deutschland, durch die Kurzsichtigkeit 
der Hansastädte und durch seine politische Zersplitterung gelähmt, 
mit verderblicher Teilnahmlosigkeit in den alten kontinentalen Gleisen 
stehen und bereitete jenen wirtschaftlichen Rückgang vor, der Deutsch- 
land als Handelsvolk mehr und mehr hinter England und Frankreich 
zurücksetzte und schließlich in unserm Jahrhundert den größten Teil 
der deutschen Seehandelsflotte für guten Frachtlohn definitiv in den 
Dienst des englischen Importes zu stellen drohte. Wir stehen an 
einem ähnlichen Wendepunkt unserer Geschichte wie um 1500, bei 
dem es sich jedoch noch weit mehr um die politische Unabhängigkeit 
und den wirtschaftlichen Wohlstand der Nation handelt. 
Aber das heutige Geschlecht, das Kaiserliche Deutschland, wird 
hoffentlich den welthistorischen Moment nicht verpassen: unsere zahl- 
reichen geographischen Gesellschaften, Kolonial- und Exportvereine 
haben wenigstens in einem bedeutenden Teil der Gebildeten so viel 
weltwirtschaftliches Verständnis verbreitet, so viel Teilnahme für 
Welthandels- und Kolonialdinge geweckt, daß ein Rückschritt nicht 
mehr zu befürchten ist. Allerdings darf die Thatkraft, die Arbeits-
	        
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