Full text: Lesestoffe aus allen Teilen der Geschichte (4 = Erg.-Bd.)

— 219 — 
ländischen Reichsständen das unvermeidliche politische Programm gegenüber 
dem Reiche. — 
Gleichwohl war dieser Zustand doch nur so lange haltbar, als Branden- 
burg-Preußen selbst sich beschied, dieser Politik der Erhaltung der Reichs- 
sorm sich freiwillig anzuschließen. Die beiden ersten Könige von Preußen 
taten dies: Friedrich I. aus Gründen, die in seinem Bemühen um die 
Königswürde und in seiner Persönlichkeit lagen. Friedrich Wilhelm I. aus 
ausrichtiger, ehrenwerter Anhänglichkeit an die überlieferte Form des Reichs 
und deren kaiserliches Oberhaupt. Gab Preußen die genügsame Stellung 
aus, so war — allerdings um den Preis eines erbitterten Kampfes gegen 
Oesterreich, gegen die Mehrzahl der Reichssürsten und gegen die auslän¬ 
dischen, mit Deutschland verflochtenen Mächte — die Umgestaltung der 
Form des Reichsverbandes, ja die allmähliche Auslösung schwer auszuhalten. 
Dieser Umschwung trat mit dem Jahre 1740 ein. In diesem Augen¬ 
blicke bestieg ein Fürst den preußischen Thron, dem der Entschluß und die 
Kreist innewohnte, dem jungen Staate die Selbständigkeit und die welt¬ 
geschichtliche Stellung zn erkämpfen, zn welcher ein großer Vorgänger die 
Fundamente gelegt hatte; und es war dies zugleich der Augenblick, wo 
der männliche Zweig des Hauses Habsburg erlosch und damit in den 
deutschen wie in den europäischen Verhältnissen sich eine Reihe günstiger 
Chancen eröffnete, die dem kühnen Beginnen Erfolg verhießen. 
73. Die Hohenzollern in Brandenburg bis auf den Großen 
Kurfürsten. 
I. Gänsen, Schilderungen aus der Geschichte und Kulturgeschichte, 
Düsseldorf 1880. 
Kaiser Sigismund hatte dem Burggrafen Friedrich von Nürnberg, 
dessen Geschlecht vou der schwäbischen Burg Hoheuzollern stammte, 1411 
die erbliche Statthalterschaft ber Mark Brandenburg, 1415 deren fürst¬ 
lichen Besitz, 1417 bte feierliche Belehnung übertragen. Gewiß ahnten 
die Fürsten und Prälaten, welche diesem letztgenannten Akte zu Konstanz 
beiwohnten, nicht, daß damals der Stamm gepflanzt würbe, unter bessen 
Zweigen bereinst alle beutscheu Völker srieblich ttebeneinanber wohnen 
sollten; sie konnten es auch nicht ahnen. Denn gar klein und arm war 
die Gabe, welche damals Friedrich I. von des Kaisers Gnade, aber durch 
Gottes Fügung erhielt; dreihuudertachtzig Ouadratmeilen umfaßte das 
Ländchen zwischen Elbe und Oder mit nur hundertachtzigtausend Ein¬ 
wohnern ; dazu war das Land durch unausgesetzte Fehden verwüstet, fast 
schon eine reife Beute für die ländergierigen Nachbarn, bewohnt 
von einem zuchtlosen, verwilderten Adel und einer nicht weniger trutzigen 
Stadtbevölkerung, an jeglicher Kultur jedem anderen Teile Deutschlands 
weit nachstehend. 
Fürwahr, ein nicht gewöhnlicher Mut gehörte dazu, ein solches 
Geschenk überhaupt anzunehmen, ein eiserner Linn, um bei den stets sich 
erneuernden Schwierigkeiten nicht doch noch zu ermatten, und den Bei¬ 
namen des Eisernen, den der zweite Kurfürst, Friedrich II., führt, dürften
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.