Völkerwanderung langsam vor sich. Noch während der ganzen fränki¬
schen Zeit trieb die Bevölkerung fast ausschließlich Ackerbau, Viehzucht,
Wein- und Gartenbau. Gewerbe und Handel dagegen, die Be¬
schäftigungen der städtischen Bevölkerung, besaßen damals noch eine
sehr geringe Bedeutung. So blieb es im ganzen auch noch unter
den sächsischen Kaisern, etwa bis zum Ausgang des 10. Jahrhunderts.
Von da an entstanden in verhältnismäßig kurzer Zeit, vom 11. bis
14. Jahrhundert, ungefähr 2500 Städte, so daß um das Jahr 1400
ihre Zahl fast ebenso groß war wie heute.
2. Die Entstehung der Städte im Mittelalter.
Den ersten Anlaß zu Städtegründungen gaben die während
der Karolingerzeit entstehenden weltlichen und geistlichen Grund¬
herrschaften. Auf den großen Gütern der Grundherren machte die
Landwirtschaft gute Fortschritte. Die Verbesserung des landwirtschaft¬
lichen Betriebs führte eine Erhöhung der Erträge herbei; durch die
wachsende Bevölkerung konnten die landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu
erhöhten Preisen abgesetzt werden. Der wachsende Wohlstand der
Grundherren wieder vermehrte die Kaufkraft und die Bedürfnisse der
Gutsherren sowohl als aller Gutsangehörigen. Früher war jeder
Bauer zugleich sein eigner Handwerker; sobald man aber höhere An¬
sprüche an die Schönheit und Bequemlichkeit der gewerblichen Gegen¬
stände stellte, erforderte die gewerbliche Arbeit größere Selbständigkeit.
Manche Leute gingen entweder unter dem Zwange der Not oder infolge
einer angeborenen Neigung und Begabung dazu über, ein Gewerbe
als Hauptbeschäftigung zu betreiben. Ihre Lehrmeister waren vielfach
Mönche, die als Ausländer oft große Geschicklichkeit in einzelnen Ge¬
werben hatten. Die Handwerker standen wohl meist in Abhängigkeit
von ihren (Brundherren, aber sie arbeiteten nicht nur für diese, sondern
auch für andere Hörige, für freie Bauern und für Pfarrgeistliche. Die
milde Art der Abhängigkeit gestattete ihnen in vielen Fällen die
Übersiedelung in Orte mit lebhaftem Verkehr, wo sie leichter als auf
dem Lande ihren Unterhalt erwerben konnten. Als nun gar seit
dem 12. Jahrhundert vielerorten aus den Grundholden freie Zeit-
und Erbpächter wurden, da war der Einwanderung des Landvolkes
in die aufblühenden Städte erst recht freie Bahn gebrochen.
Zur Entwicklung städtischer Gemeinschaften gab ferner die Ein¬
richtung von Märkten Veranlassung. Die Märkte waren die Stätten,
wo die Beamten der Grundherrschaften die Erträgnisse der Landwirt¬
schaft feilboten, wo sich die Handwerker mit den Erzeugnissen ihres
Gewerbefleißes und die Kaufleute mit den Gegenständen ihres Handels
zum Austausch ihrer Waren zusammenfanden.
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