reicher Zierat an der Außenseite, breite Treppen, hohe Zimmer mit
Flügeltüren und großen Fenstern, bemalte Seiden- oder Samttapeten,
kostbare Fenstervorhänge, schöne Kronleuchter, große Spiegel, Kamine
und Nippesschränke gehörten zur Ausstattung eines vornehmen Hauses.
Der Ausstattung des Hauses entsprach die angenommene höfische Eesell-
schaftstracht: Tressenrock, seidene Hosen und Strümpfe, Perücke und
Degen der Herren, das kostbare, schillernde Kostüm der Damen. Auch
feinere Tischsitten wurden damals allgemeiner. Zu dem spitzen Messer,
■ mit dem man namentlich das Fleisch zum Munde führte, gesellten sich
die verschiedenen Formen des Löffels (als Eßlöffel, Kaffeelöffel usw.)
und die dreizinkige Gabel, die erst 1650 beim französischen Hof ein¬
geführt wurde. Speiseteller für jeden Einzelnen wurden ebenfalls erst
im 16. Jahrhundert allgemeiner, in der Mitte des 17. Jahrhunderts
aber erst die tiefen Suppenteller. Die Art des Essens wurde so sehr
viel sauberer. Der größeren Feinheit der Sitte entsprach die der
Speisen, deren sich die französische Kochkunst bemächtigte. Durch die
Verfeinerung der Lebenshaltung kam die alte Völlerei immer mehr aus
der Mode. „Es fangen auch", so heißt es in einem Kochbuch aus der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, „bereits die Deutschen an, sich
des Vollsaufens zu schämen, wie denn in Leipzig anitzo gebräuchlich,
daß auf Hochzeiten und Gastereyen beim Eesundheittrinken ein jed¬
weder nach seinem Belieben sich selbst viel oder wenig einschenken
darf." An die Stelle des Vielessens trat das Feinessen; Wein- und
Biertrinken wurden durch die feineren Getränke, Kaffee, Tee, Kakao
und Schokolade zurückgedrängt.
Gerade dadurch, daß die neue Bildung an eine gesittetere Lebens¬
art gewöhnte, hatte die Zeit der Nachahmung des Fremden, die ja
für Deutschland eine betrübende und beschämende ist, doch auch ihre
guten Seiten. Thomasius, ein Gelehrter der damaligen Zeit, empfahl
die Nachahmung der Franzosen: „Denn sie sind doch heutzutage die
geschicktesten Leute und wissen allen Sachen ein rechtes Leben zu
geben." (Er hatte recht, denn die fremde Bildung brachte den Deutschen
die so notwendige Verfeinerung, größere Natürlichkeit und Lebens¬
gewandtheit.
Freilich stand die überfeine gesellschaftliche Kultur im Gegensatz
zum Volkstümlichen. Das Volkstum wagte sich nicht mehr hervor: es
wurde als plebejisch, pöbelhaft betrachtet, mit Verachtung, ja mit
Ekel zurückgewiesen. Im stillen hat sich aber beim Bürgertum, nament¬
lich bei den Frauen, recht viel vom gesunden Wesen erhalten. Trotz
allem Zopf war das Leben der Städter bis in die Zeit der napoleoni-
schen Kriege ein höchst ehrbares und sittsames. Dadurch ist es möglich
gewesen, daß nach Entfernung der betrübenden Auswüchse neues, selb¬
ständiges, freies Geistesleben emporwachsen konnte.
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