Hand. Wie in den folgenden Jahrhunderten aber die einzelnen Rechte
der Staatsgewalt Schritt für Schritt an die Landesherren über¬
gingen, so trat auch die Gerichtsgewalt des Kaisers immer mehr in
den Schatten. Die Landesherren erschienen als Inhaber der Gerichts¬
barkeit ihres Landes und suchten eifersüchtig die Eingriffe der Reichs¬
gerichtsbarkeit abzuwehren. Die Goldene Bulle bestätigte die
eigne Gerichtsbarkeit der größeren Landesgebiete, so daß auch in
den übrigen kleineren Staaten die Hofgerichtsbarkeit des Kaisers
immer mehr an Bedeutung verlor.
Mit Hilfe des römischen Rechts kam nun eine neue Gerichtsbarkeit
des Kaisers auf. Während der König bisher dem Gericht des Hofes
nur vorgesessen und dessen Spruch verkündet hatte, übte er jetzt selbst
die Rechtsprechung seiner Kammer aus. Er besetzte sein Gericht nicht
mehr mit Fürsten und Rittern, sondern mit studierten Beamten, die
wohl im römischen Recht Bescheid wußten, aber von dem im Volke
lebenden Recht feine Ahnung hatten. Die Klagen über die Partei¬
lichkeit, den schleppenden Geschäftsgang und die unerschwinglichen hohen
Gerichtskosten der kaiserlichen Gerichtsbarkeit wurden immer lauter.
Die von den Kurfürsten und den Reichstagen verlangte Reform des
Gerichtswesens wurde 1495 durch Errichtung des Reichsfammer-
g e r i ch t s erfüllt.
Damit hatte man — wenigstens auf dem Papier — erreicht,
was man wollte. Das Gericht sollte besetzt sein mit einem Richter,
„der ein geistlich oder weltlich Fürst oder ein Gras oder Freiherr
sei", und mit 16 Urteilern aus dem Reich deutscher Nation, zur Hälfte
studierte Juristen, zur Hälfte dem Ritterstande angehörig. Den Richter
ernannte der Kaiser, die Urteile bestellte er mit Rat und Willen der
Stände. „Das Kammergericht sollte gehalten werden im Reich an
einer füglichen Stadt"; dreimal wöchentlich sollten seine Sitzungen
stattfinden. Die Besoldungen der Gerichtspersonen sollten aus den
Sporteln bestritten werden; wenn diese nicht ausreichten, mußte aus
den Gefällen des Reiches ein Zuschuß geleistet werden.
Am 31. Oftober 1495 eröffnete Kaiser Maximilian in eigner
Person zu Franffurt a. M. in feierlicher Sitzung das Gericht. Aber
schon nach Verlauf eines Jahres schloß das Gericht seine Sitzungen,
weil die Sporteln zum Unterhalt nicht ausreichten und auch an
Reichsgefällen Mangel war. Im Jahre 1496 wurde es nach Worms
verlegt und hat dann abwechselnd zu Worms, Nürnberg, Augsburg,
Regensburg und Eßlingen getagt. Im Jahre 1526 wanderte es nach
Speier, wo es mehr als anderthalb Jahrhunderte geblieben ist, bis
Ludwig XIV. im Jahre 1689 die Stadt verwüsten ließ. Die Akten
wurden bei der Zerstörung nach Worms, Franffurt und Aschaffenburg
in Sicherheit gebracht, von den Franzosen in Fässern und Kisten nach
235