Zweiter Abschnitt.
Der preußische Staat und die klassische Literatur.
1. Das moderne Europa.
Mit dem Dreißigjährigen Kriege schloß die deutsche Refor¬
mation ab. Von nun an, bis zum Beginn der französischen
Revolution im Jahre 1789, durch säst anderthalb Jahr-
Hunderte, schied die deutsche Nation aus den großen Welt¬
händeln aus. Die folgenreichsten Ereignisse, die sich während
dieses Zeitraumes in Deutschland vollzogen, die Entstehung des
preußischen Staats und die Entstehung der klassischen Litera¬
tur, standen mehr oder weniger unter dem Einfluß des Aus¬
landes.
Die Verlegung des Welthandels von den Gestaden des
Mittelländischen Meeres an die Ufer des Atlantischen Ozeans,
dasselbe weltgeschichtliche Ereignis, das in entscheidender Weise
zur Verarmung Deutschlands beitrug, hatte in erster Reihe die
Königreiche Spanien und Portugal gefördert. Die Spanier
entdeckten im Jahre 1492 Amerika und die Portugiesen im
Jahre 1498 den Seeweg nach Ostindien. So wurde namentlich
Spanien die Weltmacht des 16. Jahrhunderts, das Reich, worin
die Sonne nicht unterging. Seine Kolonien in Amerika,
Afrika und Asien trugen ihm unermeßliche Schätze ein. Aber
der kapitalistische Absolutismus, der in Spanien und Portugal
herrschte, begriff nicht, daß die nationale Arbeit die eigentliche
Quelle des nationalen Wohlstandes sei; er unterdrückte die
spanischen Städte und rottete die Mauren aus, die kundigsten
Ackerbauer und gewerbsleißigsten Handwerker im Lande, in
deren Händen sich die Baumwollen- und Zuckerkultur, die
Papier- und Seidenindustrie befand. Es geschah unter ideo¬
logischen Vorwänden religiöser Unduldsamkeit, aber tatsächlich
aus dem Bestreben der Weltdespoten und ihrer junkerlich-
pfäffifchen Höflinge, alles zu zerstören, was die Nation arbeit¬
sam, unabhängig und deshalb rebellisch gegen die Regierung
der Faulenzer machen konnte. Mit der Vertreibung der Mauren
entarteten Fabriken und Künste, und ungeheure Strecken Lan-