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10. Keinrich von HfLerdingen und Klingsor.
Weil aber Klingsor noch immer feine Anstalt zur Reise
machte, so wurde dem Sänger bange, und er sprach: „Meister,
ich fürchte, ihr laßt mich im Stiche, und ich muß allein und traurig
meine Straße ziehen und werde zur bestimmten Zeit die Wart¬
burg nicht erreichen; dann bin ich ehrlos und darf zeitlebens
nimmermehr nach Thüringen." Klingsor sagte lächelnd: „Sei
unbesorgt: wir haben starke Pferde und einen leichten Wagen und
wollen den Weg kürzlich gefahren haben."
Heinrich konnte vor Unruhe abends nicht schlafen; da gab ihm
der Meister einen Trank ein, daß er in tiefen Schlummer sank,
legte ihn auf eine lederne Decke und sich daneben und befahl seinen
Geistern, daß sie ihn schnell nach Eisenach im Thüringer Lande
tragen und daselbst im besten Wirtshaus niedersetzen sollten. Die
Geister thaten, wie ihnen befohlen war, und brachten noch in
selbiger Nacht den Meister mit seinem Gefährten gen Eisenach in
den Hellegrevenhof, der zu Eisenach am St. Georgenthor liegt, zur
linken Hand, wenn man aus der Stadt geht.
Als nun der Tag anbrach, erwachte Heinrich; er hörte die
Glocken zur Frühmesse läuten und sprach verwundert: „Mir ist,
als hätte ich diese Glocken schon mehr gehört, und bäucht mich, daß
ich zu Eisenach wäre." Der Meister sprach: „Dir träumt wohl!"
Heinrich aber stand auf und sah sich um; da merkte er, daß er
wirklich in Thüringen wäre. „Gott sei Lob," rief er, „daß wir
hier sind! das ist Hellegrevenhaus, und hier sehe ich St. Georgen-
thor und die Leute, die davor stehen und über Feld gehen wollen."
Sobald die Ankunft der beiden Gäste auf der Wartburg kund
wurde, befahl der Landgraf, sie ehrlich zu empfangen. Es ver¬
gingen einige Tage, ehe die Meister fangen und Klingsor richtete.
Eines Abends faß er im Garten des Hellegrevenhofs, und viele