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Schar von vielen Tausenden sammelte sich um ihn, und er
führte sie durch Oberdeutschland gegen Ungarn. Durch ihre
Zuchtlosigkeit machten sich diese Kreuzfahrer überall gefürchtet
und gehaßt und gingen teils durch Hunger, teils im Kampfe
mit der Bevölkerung der Länder, durch die sie zogen, zugrunde.
Im Sommer des Jahres 1096 zog das Ritterheer, gegen
300 000 Mann stark, unter der Führung des Herzogs von
Niederlothringen, Gottfried von Bouillon, durch Süddeutschland,
Ungarn, Bulgarien nach Konstantinopel und wurde hier nach
Kleinasien übergesetzt. Es dauerte fast drei Jahre, bis Gott¬
fried von Bouillon nach schweren Kämpfen in Kleinasien, in
denen das Heer bis aus 80 000 Mann zusammenschmolz, vor
Jerusalem anlangte. Als man von einer Anhöhe herab die
heilige Stadt erblickte, fielen alle auf die Kniee, küßten den
Boden und dankten Gott unter Freudentränen. Fünf Wochen
wurde die Stadt belagert. Die Kreuzfahrer bauten hohe Türme
aus Holz, die hart an die Mauern herangeschoben wurden; aus
dem obersten Geschosse derselben konnte eine Brücke nieder¬
gelassen werden, mittels der die Ritter auf die Zinnen der
Stadtmauern gelangen konnten. Am 15. Juli 1099 wurde die
Stadt erstürmt und unter den Türken ein schreckliches Blutbad
angerichtet. Gottfried von Bouillon wurde zum Könige von
Jerusalem erwählt; aber er wollte keine Königskrone tragen,
wo der Welterlöser eine Dornenkrone getragen hatte, und nannte
sich nur Beschützer des heiligen Grabes. Nach seinem Tode
(1100) nahm sein Bruder Balduin den Titel eines Königs von
Jerusalem an. Das eroberte heilige Land wurde nach dem
Vorbilde des Abendlandes zu einem Lehensstaate eingerichtet.
Der König von Jerusalem hatte als Vasallen die Fürsten von
Edessa, von Antiochia und von Tripolis unter sich. Das neue
Königreich hatte fortwährend gegen die Sarazenen*) zu kämpfen;
darum wurden von Zeit zu Zeit wieder Kreuzzüge notwendig.
Im Jahre 1147 unternahm Kaiser Konrad II. in Ver=‘
lnndung mit Ludwig VII., König von Frankreich, auf Antreiben
des Abtes Bernhard von Clairvaux einen zweiten Kreuzzug,
Kaiser Friedrich der Rotbart 1189, als Jerusalem von dem
Sultan Saladin erobert worden war, einen dritten, verlor aber
das Leben, bevor er das heilige Land erreichte.**) Kaiser
Friedrich II. gewann (1229) durch Vertrag die Stadt Jeru¬
salem zurück; dieselbe ging aber nach Jahren den Christen für
immer verloren. Ludwig IX., der Heilige, König von Frank¬
reich, landete (1248) in Ägypten, um von dort aus das heilige
Land zu erobern; allein er wurde bei Damiette mit seinem
*) Türken, Araber und bergt. eigentl. Morgenländer.
**) Vergl. S. 45.