Object: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

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0. Beschreibende Darstellungen. 
63. über die Umgegend Roms. 
Geschichtliche Begebenheiten gewinnen einen eigentümlichen Reiz, 
wenn wir die Ortlichkeit kennen, wo sie sich zutrugen. In den 
lebendigsten Farben treten sie dem vor die Seele, welcher sich auf ihrem 
eigentlichen Schauplatz befindet, und wie wir einen regeren Anteil 
nehmen an den Schicksalen eines Mannes, dessen Gesichtszüge wir 
kennen, ebenso prägen sich dem Gedächtnisse die Vorgänge tiefer ein, 
deren räumliche Bedingungen wir anschauten. Geschichte und Orts— 
kunde ergänzen sich, wie die Begriffe von Zeit und Raum. 
Die Örtlichkeit ist das von einer längst vergangenen Begebenheit 
übrig gebliebene Stück Wirklichkeit. Sie ist sehr oft der fossile Knochenrest, 
aus dem das Gerippe der Begebenheit sich herstellen läßt, und das 
Bild, welches die Geschichte in halbverwischten Zügen überliefert, tritt 
durch sie in klarer Anschauung hervor. 
Jahrtausende freilich, welche die festesten Bauten umstürzen, gehen 
nicht spurlos vorüber an der größten aller Ruinen, der Mutter Erde. 
Der Anbau glättet ihre Oberfläche aus, Wälder verschwinden, Bäche 
versiegen, und tarpejische Felsen ebnen sich zu sanfteren Hängen ab. 
Aber dies alles ändert, wir möchten sagen, nur die Hautfarbe der 
Erde, ohne ihre Gesichtszüge unkenntlich zu machen. Wo die Natur— 
kräfte gewaltsam mitwirkten, wo Vulkane und Erdbeben, UÜber— 
schwemmungen und Versumpfungen in geschichtlicher Zeit den Boden 
umwandelten, da geschah es doch nur auf beschränktem und wohl 
bekanntem Gebiet. 
Von vielen Gegenden darf man aber behaupten, daß sie seit 
Jahrtausenden wirklich unverändert geblieben sind. Das Meer in der 
sleten Wandelbarkeit seiner Wogen stellt sich uns in derselben großartigen 
Einfachheit dar, wie einst den Argonauten. Der Beduine tränkt seine 
Rosse und Kamele noch an den nämlichen Quellen und weidet seine 
Herden auf denselben grünen Flächen, wie Abraham und Muhamed. 
Die mit Basalttrümmern überschütteten Ebenen am mittleren Euphrat 
bieten dem heutigen Wanderer eben den trostlosen Anblick dar, wie den 
Grenzwächtern des römischen Reichs, und viele der Thäler um 
Jerusalem zeigen sich unserem Blick gewiß gerade so, wie sie dem 
Erlöser erschienen, als er noch auf Erden wandelte. 
Und so erteilen wieder die Begebenheiten den Orten ihre Weihe. 
Daher der Zauber, der im bloßen Namen liegt. Der verödete Hügel 
von Bunar-baschi und das kahle Sandufer von Kumkaleh würden den 
Blick des Besuchers nicht lange fesseln, wüßte er nicht, daß dort 
Pergamus seine Zinnen erhob, hier die Schiffe der Achäer auf den
	        
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