Full text: Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg (Teil 4)

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Es ist nicht aus lauter Vorwitz noch Frevel geschehen, daß ich einzelner, 
armer Mensch mit unterstanden, vor Euren hohen Würden zu reden. Die Not 
und Beschwerung, die alle Stände der Christenheit, zuvörderst in deutschen 
Landen drückt, und die nicht allein mich, sondern jedermann bewegt hat, viel¬ 
mals zu schreien und Hülfe zu begehren, hat mich auch jetzt gezwungen, zu 
schreien und zu rufen, ob Gott jemaudeu den Geist geben wollte, seine Hand 
der elenden Nation zu reichen. 
Es ist oft durch Konzilien etwas vorgebracht, aber durch etlicher Menschen 
List behende verhindert und immer ärger geworden. Ihre Tücke nnd Bosheit 
gedenke ich jetzt, Gott helfe mir, zu durchleuchten, anf daß sie hinfort nicht 
mehr so hinderlich und schändlich sein mochten. Gott hat uns ein junges, 
edles Blnt zum Haupt gegeben und damit viele Herzen zu großer, guter 
Hoffnung erweckt; daneben will es sich ziemen, das Unsere dazu zu thun und 
der Zeit und Gnade nützlich zu brauchen. 
Das erste, das in dieser Sache vornehmlich zu thun ist, daß wir nichts 
anfangen mit Vertrauen auf unsere Macht oder Vernunft; denn Gott mag 
und will es nicht leiden, daß ein gutes Werk im Vertrauen auf eigne Macht 
und Vernunft angefangen werde. Er stößt es zu Boden, da hilft nichts gegen; 
wie im 33. Psalm steht: „Es wird kein König durch seine große Mackit be¬ 
stehen und kein Herr durch die Größe seiner Stärke." Und aus dem Grunde, 
sorge ich, sei es vor Zeiten gekommen, daß die teuren Fürsten, Kaiser Friedrich 1. 
und II. und so viel mehr deutsche Kaiser so jämmerlich von den Päpsten mit 
Füßen getreten und unterdrückt worden sind, vor welchen sich doch die Welt 
fürchtete. Sie haben sich vielleicht auf ihre Macht mehr denn auf Gott ver- 
laffen, darum haben sie fallen müssen. 
Man muß hier mit einem Verzagen an leiblicher Gewalt, in demütigem 
Vertrauen auf Gott die Sache angreifen und mit ernstlichem Gebet Hülfe bei 
Gott suchen und nichts anders iijs Auge fassen, denn der elenden Christen¬ 
heit Jammer und Not. 
Erster Teil. 
Die Romanisten*) haben drei Mauern mit großer Behendigkeit um 
sich gezogen, damit sie sich bisher geschützt haben, daß sie niemand hat refor¬ 
mieren können; dadnrch ist die ganze Christenheit greulich gefallen. 
*) Die Anhänger und Verteidiger der römischen (päpstlichen) Oberherrschaft.
	        
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