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dadurch sein Gewissen beruhigen wollen; denn all das war schon zu Ingel¬
heim geschehen. Nun verschwindet Tassilo für immer im Kloster. So
endete der letzte Herzog der Agilolsinger.
Wie sah es in Bayern unter der Herrschaft der Agilolsinger aus?
Die Bajuwarier wohnten noch immer auf einzelnen Höfen, die sie
sich dort errichteten, wo gerade eine Quelle oder ein Wald zur Ansiedelung
einluden; auch die halbverfallenen Überreste römischer Städte dienten als
Wohnsitze. Das Haus war aus Holz gebaut. Mr Klöster wurde» aus
Stein aufgeführt. Neben dem Wohnhaus, jedoch abgesondert, standen
Badehaus, Backofen, Küche, Stall und kleinere Wirtschaftsgebäude. Rings
um dieselben lag Ackerland, das der Besitzer bebaute. Das ganze Gehöft
wurde von einem Holzzauue umschlossen, der nach seiner gewöhnlichen
Höhe einem mittelgroßen Manne bis zur Brust reichte. Der Zaun bestand
aus oben spitzigen Pfählen, die in den Boden eingeschlagen und mit Weiden
durchflochten waren. Ein auf einen Stab gesteckter Strohwisch warnte,
wie noch heute, vor dem Betreten eines Weges oder eines Ackers. Die
meisten unserer Borfahren waren Landleute. Sie bebauten ihre Felder
mit Getreide und trieben Viehzucht. Wälder wurden ansgereudet (Bäume
umgehauen); der Boden gab gutes Ackerland. Man pflanzte, namentlich
bei den Klöstern, Obstbäume und zwar meist Apfel- und Birnbäume und
legte Weingärten an. Der Wein soll gegen Norden zu gar sauer gewesen
sein und doch war er ein begehrtes Getränke. In den Forsten gab es noch
viele wilde Tiere: Bären, Wölfe, Auerochsen, Riesenhirsche. Sie mit
Hunden zu jagen, war eine Lieblingsbeschäftigung der Männer. Reichen
Ertrag lieferten die Salzquellen bei Reichenhall. Die Frauen webten
wollene und leinene Tücher.
Bayern war zur Zeit der Agilolsinger in keinem guten Ruf. Räuber
lauerten an den Wegen auf fremde Wanderer; eine Reife durch das Land
war gefährlich. Die Wege waren schlecht, bis auf die früher vou den
Römern angelegten. Nur selten führte eine hölzerne Brücke über einen
Fluß; man mußte an einer seichten Stelle (Furt) das andere Ufer ge¬
winnen. Es war ein geringer Berkehr und wenig Handel int Lande. Das
fremde (fränkische) Geld war selten; man tauschte Waren gegen Waren.
Die Bajuwarier bestatteten ihre Toten in die Erde. Sie wurden
aus ein Brett gelegt und in das Grab gesenkt. Die früher übliche Ver¬
brennung der Leichen war um diese Zeit schon abgeschafft.
Obgleich das Volk recht wenig gelehrt gewesen sein mag, so muß
doch schon außer bei den Geistlichen auch bei den Höhergestellten das Schreiben
geübt worden sein. Es gibt schon schriftliche Verträge beim An- oder Ver¬
kauf von Grundbesitz. Jener Zeit entstammt auch das Wessobrunner
Gebet, eines der ältesten Denkmäler unserer deutschen Sprache. Es wurde
im Kloster Wessobrunn am Fuße des Peißenberges in Oberbayern auf-No full text available for this image
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