Full text: Hessische Geschichte

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lebt einstweilen als Privatmann in Speyer und muß sich bis Februar 
1077 vom Banne befreien; sonst wird zur Neuwahl geschritten." Im 
Januar 1077 steht der deutsche Kaiser barfuß im Büßergewande drei 
Tage in Kanossa, bis endlich die Lossprechung erfolgt. Es war die 
Folge jenes unheilvollen Beschlusses in Trebur, daß einem deutschen 
Kaiser solch schimpfliche Behandlung zuteil wurde. 
Die letzten Lebensschicksale des unglücklichen Königs spielten sich 
auch auf hessischem Boden ab. Nach dem Tode seines Gegners 
Gregor VII. trennten die Streitigkeiten über den päpstlichen Nachfolger 
den Kaiser und die Fürsten. Des Kaisers Sohn Konrad hielt es gegen 
die Erlangung des römischen Königstitels mit Urban II., dem kaiserlichen 
Gegner. Als 1101 Konrad gestorben war, trat der jüngste Sohn 
Heinrich gegen den Vater auf. Des Papstes Urban II. Bannfluch 
gegen den Kaiser verfehlte in Deutschland die Wirkung; man hielt es 
mit des Reiches Oberhaupt. Dieses war überall bemüht, Frieden zu 
halten und die Unterdrückten zu schützen; so auch die Juden. Es ist 
ein Zeichen der schönen humanen Gesinnung des Kaisers, daß er 1098 
nach seinem Römerzuge den Juden, die aus Todesangst die Taufe an- 
genommen hatten, das Bekenntnis freigab. 
1098 wurde der junge Heinrich, des Kaisers Sohn, zu Aachen zum 
Könige gewählt, unter dem Versprechen, seinem Vater nie nach dem 
Leben zu trachten, noch vor der Zeit nach der Regierung zu streben. 
Aufgestachelt durch die päpstliche Partei, erhob sich der Sohn 
schon 6 Jahre später gegen den Vater, weil man ihm sagte, einem 
Gebannten brauche man das Wort nicht zu halten. Der friedlichge¬ 
sinnte Kaiser wollte sich mit dem Sohne versöhnen. Sie kamen in 
Bingen zusammen. Auf Anraten der Fürsten entließ der Vater seine 
Kriegsleute. In Mainz sollte eine Reichsversammlung die Streitigkeiten 
schlichten. Die Partei des Sohnes wollte den Kaiser zur Abdankung 
nötigen, und da man in diesem Falle einen Aufstand der Mainzer 
Bürger befürchtete, wußte der Sohn den Vater zu bewegen, die Ver¬ 
sammlung in Ingelheim abzuhalten. In Böckelheim, wo sie sich bis 
zum Zusammentritte der Versammlung aufhalten wollten, nahm der 
entartete Sohn den Vater gefangen und brachte ihn nach Ingelheim. 
Hier traf man ein schmachvolles Abkommen. Der Kaiser verzichtete 
auf Erbe und Reich und wurde trotzdem nicht vom Banne freigesprochen. 
Er floh nach Köln, wo er freudig aufgenommen wurde. Lothringen und 
der ganze Niederrhein erhoben sich für den Schwergeprüften. Der ver¬ 
räterische Sohn wurde au der Mosel und bei Köln geschlagen. Da 
plötzlich starb der alte Kaiser in Lüttich 1106. Ans Betreiben des 
Bischofs und seines geistlichen Anhangs wurde die schon bestattete Leiche, 
weil die Gruft die Gebeine eines Gebannten barg, hervorgeholt und 
über der Erde bis 1111 auf einer Maasinsel aufgestellt.
	        
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