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Taufe an, und da sie, ihrem Glauben unerschütterlich treu, auf einen solchen
Tausch nicht eingehen wollten, vertrieb er sie im Jahre 1360 aus dem Lande.
Sie zogen sich nach Oesterreich und Böhmen zurück. Fünf Jahre später nahm
er sie wieder auf und setzte sie in ihre alten Rechte wieder ein.
Viele der aus Deutschland, Böhmen und ändern Staaten vertriebenen Juden
fanden in Ungarn Asyl: so ertheilte König Sigismund im Jahre 1397 dem
Banus Gara und dessen Bruder die Erlaubniss, zur Colonisirung ihrer Güter die
vertriebenen Juden aufzunehmen. Sigismund, der sich stets in Geldverlegenheit
befand und die Juden seines Reichs bei jeder Gelegenheit brandschatzte, legte
auch den Juden Ungarns neue Steuern auf und betraute eigens bestellte „Juden¬
richter“ auch mit der Eintreibung derselben; wol im eigenen Interesse gab er ihnen
ein Wuchergesetz, das von den nachtheiligsten Folgen für die Juden selbst war.
Infolge der häufigen Klagen über den Wucher der Juden befreite Albrecht I.
bald nach seinem Regierungsantritte die christlichen Schuldner von der Ver¬
pflichtung, den Juden Zinsen zu zahlen, und Matthias Corvinus, der ihnen
ihre alten Freiheiten 1464 bestätigte, befahl, dass in Städten nur die Hälfte der
verschriebenen Zinsen an den Gläubiger, die andere Hälfte an die Bürgerschaft
gezahlt werden solle, ja 1475 verbot er den Juden liegende Güter als Pfand
anzunehmen. Solange Matthias Corvinus lebte, waren die ungarischen Juden
vor Unbill geschützt, bald nach seinem Tode brachen auch für sie trübe Zeiten
ein, sodass sie die Wahrheit des ungarischen Volksspruches erfuhren: König
Matthias ist gestorben; hin ist die Gerechtigkeit! Vier Jahre nach dem Tode
des grossen Königs (1494) entstand wegen einer Blutbeschuldigung in Tyrnau,
wo Eisak Tyrnau, der Verfasser eines Schriftchens über „Minhagim“ (Gebräuche)
lebte, eine Judenverfolgung, welche 15 Jahre später in dem benachbarten Bösing
Nachahmung fand, und kurz vor Ende des 15. Jahrhunderts (1495) stürmte der
Pöbel die Judenhäuser in Ofen. Unter König Ludwig H., dessen Münzmeister
ein Jude, Isaak, und dessen Finanzminister der später zum Judenthume zurück¬
gekehrte Emmerich (Ephraim) Szerencses gewesen, war die Lage der Juden
in Ungarn unerträglich geworden und nach der Schlacht bei Mohacs (1526)
wurden auf Befehl der Königin Maria die Juden nicht nur aus Pressburg und
Oedenburg, sondern auf Beschluss des Landtags auch aus allen Städten und
Festungen vertrieben. Eine grosse Anzahl ungarischer Juden hatten sich in¬
folge einer Aufforderung des R. Isaak Zarfati noch vor der Vertreibung
nach der Türkei begeben.
Die Geschichte der Juden in Polen reicht in ein noch höheres Alter
zurück als die der in Ungarn. Zur Zeit des ersten Kreuzzuges zogen aus
Deutschland und Böhmen Juden, zum grössten Theil ihrer Habe beraubt, in
grossen Scharen nach Polen, wo sie sich über das ganze Land ausbreiteten, sich
mit, Ackerbau und Handwerk beschäftigten, auch gleich den christlichen Ein¬
wohnern Freiheiten genossen. Polen war jedoch ihres Bleibens nicht. Schon
im Jahre 1124 erliessen die polnischen Fürsten den Befehl, dass alle Juden aus
dem Lande zu vertreiben und nicht mehr einzulassen seien. Ob diese Vertreibung
nur theilweise ausgeführt worden ist, oder ob die Vertriebenen bald zurück¬
gekehrt sind, genug, um Mitte des 12. Jahrhunderts befinden sich in Polen wieder