Full text: Handbuch der Israelitischen Geschichte von der Zeit des Bibel-Abschlusses bis zur Gegenwart

— 103 — 
Taufe an, und da sie, ihrem Glauben unerschütterlich treu, auf einen solchen 
Tausch nicht eingehen wollten, vertrieb er sie im Jahre 1360 aus dem Lande. 
Sie zogen sich nach Oesterreich und Böhmen zurück. Fünf Jahre später nahm 
er sie wieder auf und setzte sie in ihre alten Rechte wieder ein. 
Viele der aus Deutschland, Böhmen und ändern Staaten vertriebenen Juden 
fanden in Ungarn Asyl: so ertheilte König Sigismund im Jahre 1397 dem 
Banus Gara und dessen Bruder die Erlaubniss, zur Colonisirung ihrer Güter die 
vertriebenen Juden aufzunehmen. Sigismund, der sich stets in Geldverlegenheit 
befand und die Juden seines Reichs bei jeder Gelegenheit brandschatzte, legte 
auch den Juden Ungarns neue Steuern auf und betraute eigens bestellte „Juden¬ 
richter“ auch mit der Eintreibung derselben; wol im eigenen Interesse gab er ihnen 
ein Wuchergesetz, das von den nachtheiligsten Folgen für die Juden selbst war. 
Infolge der häufigen Klagen über den Wucher der Juden befreite Albrecht I. 
bald nach seinem Regierungsantritte die christlichen Schuldner von der Ver¬ 
pflichtung, den Juden Zinsen zu zahlen, und Matthias Corvinus, der ihnen 
ihre alten Freiheiten 1464 bestätigte, befahl, dass in Städten nur die Hälfte der 
verschriebenen Zinsen an den Gläubiger, die andere Hälfte an die Bürgerschaft 
gezahlt werden solle, ja 1475 verbot er den Juden liegende Güter als Pfand 
anzunehmen. Solange Matthias Corvinus lebte, waren die ungarischen Juden 
vor Unbill geschützt, bald nach seinem Tode brachen auch für sie trübe Zeiten 
ein, sodass sie die Wahrheit des ungarischen Volksspruches erfuhren: König 
Matthias ist gestorben; hin ist die Gerechtigkeit! Vier Jahre nach dem Tode 
des grossen Königs (1494) entstand wegen einer Blutbeschuldigung in Tyrnau, 
wo Eisak Tyrnau, der Verfasser eines Schriftchens über „Minhagim“ (Gebräuche) 
lebte, eine Judenverfolgung, welche 15 Jahre später in dem benachbarten Bösing 
Nachahmung fand, und kurz vor Ende des 15. Jahrhunderts (1495) stürmte der 
Pöbel die Judenhäuser in Ofen. Unter König Ludwig H., dessen Münzmeister 
ein Jude, Isaak, und dessen Finanzminister der später zum Judenthume zurück¬ 
gekehrte Emmerich (Ephraim) Szerencses gewesen, war die Lage der Juden 
in Ungarn unerträglich geworden und nach der Schlacht bei Mohacs (1526) 
wurden auf Befehl der Königin Maria die Juden nicht nur aus Pressburg und 
Oedenburg, sondern auf Beschluss des Landtags auch aus allen Städten und 
Festungen vertrieben. Eine grosse Anzahl ungarischer Juden hatten sich in¬ 
folge einer Aufforderung des R. Isaak Zarfati noch vor der Vertreibung 
nach der Türkei begeben. 
Die Geschichte der Juden in Polen reicht in ein noch höheres Alter 
zurück als die der in Ungarn. Zur Zeit des ersten Kreuzzuges zogen aus 
Deutschland und Böhmen Juden, zum grössten Theil ihrer Habe beraubt, in 
grossen Scharen nach Polen, wo sie sich über das ganze Land ausbreiteten, sich 
mit, Ackerbau und Handwerk beschäftigten, auch gleich den christlichen Ein¬ 
wohnern Freiheiten genossen. Polen war jedoch ihres Bleibens nicht. Schon 
im Jahre 1124 erliessen die polnischen Fürsten den Befehl, dass alle Juden aus 
dem Lande zu vertreiben und nicht mehr einzulassen seien. Ob diese Vertreibung 
nur theilweise ausgeführt worden ist, oder ob die Vertriebenen bald zurück¬ 
gekehrt sind, genug, um Mitte des 12. Jahrhunderts befinden sich in Polen wieder
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.