Full text: Thüringer Sagen und Nibelungensage (Teil 1)

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Geschichte der alten Welt. 
es den Ptolemäern möglich, ihre Hauptstadt mit einem nie gesehenen Glanz 
zu umgeben und sie zum Mittelpunkt griechischer Cultur und Literatur und 
zum Sitz des Welthandels zu erheben. Aber die Männer, die diese Blüthe 
bewirkten, waren, wie die Königsfamilie selbst, Fremdlinge, Griechen und 
Juden. Das ägyptische Volk verharrte in seiner Verstocktheit, in seinem 
eigensinnigen Fremdenhaß, in seiner theilnahmlosen Abgeschlossenheit und 
schleppte murrend die Sclavenketten, die ihm fremde Nationen anlegten. 
Aber gerade darum war auch derGlanz des ptolemäischen Thrones ein Blend¬ 
werk ohne Dauer, eine fremde Blume, die auf ägyptischem Boden keine 
Wurzeln schlug. Als daher die folgenden Könige die höhern Bestrebun¬ 
gen außer Acht ließen und die Schätze ihres Reichs zu ausschweifenden 
Sinnengenüssen und zur Befriedigung ihrer Leidenschaften benutzten, als der 
alexandrinische Hof sich nicht minder durch Sittenlosigkeit und Gräuel als 
durch Glanz und Reichthum auszeichnete, da verlor das ptolemäische 
Herrscherhaus allmählich allen Boden, bis zuletzt das Reich die Beute der 
Römer ward. 
") Ptolemäos Lagt oder Soter (st 280), der kluge Stifter des Ptolemäerreichs, 
das seinen Halt und Mittelpunkt in dem abgeschlossenen, schwer zugänglichen Nilthale 
hatte und seine Arme über das griechische Kyrene in Nordasrika und über Phöni- 
zien, Palästina und Cölesyrien mit dem ccdernreichen Libanon und Antilibanon 
ausstreckte, legte den Grund zu den drei Einrichtungen, worauf Aegyptens Größe beruhte, 
zu der großen M ilitär- und Seemacht, zu einem sehr ausgedehnten und geglie¬ 
derten Werwaltungs-, Steuer- und Gerichtswesen und zu dem weltbe¬ 
rühmten Museum, das mit dem Königspalast in Verbindung stand und die Räume für 
die alexandrinische Bibliothek mit ihren zahlreichen Bücher rollen und die 
Wohnungen für Gelehrte und Dichter enthielt. Sein Sohn und Nachfolger Ptole¬ 
mäos Philadelphos (st 273) d. h. der Schwesterliebende, weil er mit seiner Schwester 
vermählt war, verlieh den Schöpfungen seines Vaters weitere Ausdehnung und festern 
Halt. Er umgab seinen Hof mit einer verschwenderischen Prach t und mit unerhörtem 
Luxus und schmückte seine Hauptstadt mit allen geistigen und sinnlichen Genüs¬ 
sen, die Reichthum und Bildung gewähren können. Ptolemäos Euergetes (Wohl- 
thäter, st 221) verband mit der Liebe zu Kunst und Wissenschaft Mukh und Kriegstugcnd. 
Er erschütterte durch einen glücklichen Krieg die schlaffe Seleukidenmacht, dehnte die 
Gränzcn seines Reichs nach allen Seiten aus und schuf dem Handel und Verkehr (nament¬ 
lich dem Ka rav a n e nha n d e l) neue Wege. Seine Schwester und Gemahlin (bei 
Alexanders Nachfolgern waren Heirathen unter Geschwistern und Verwandten gewöhnlich) 
war die schöne Berenlke, von deren viel besungenem Haar ein Sternbild den Namen 
erhielt. Mit Ptolemäos Philopator oder Tryphon (Schlemmer st 204), der 
Grausamkeit mit der größten Schwelgerei und Ausschweifung verband, beginnt das Sinken 
des ägyptischen Reichs. Ein unglücklicher Krieg mit dem syrischen König Anti och o61II. 
brachte, trotz des Sieges der Aegyptcr bei Rap hia (217), über das Reich großes Ver¬ 
derben und gab den Römern Anlaß zu ihrer unheilvollen Einmischung, die unter dem 
minderjährigen Ptolemäos Epiphänes (204—181), über welchen Rom die Vormund¬ 
schaft führte, sich befestigte und erweiterte, so daß die folgenden Könige ganz unter römi¬ 
schem Einfluß standen.
	        
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