Full text: Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg (Teil 4)

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Kirche gebieten, sondern weil er selbst im innersten Herzen Christi Wort 
und Leben und Werk als wahr und gut und göttlich empfindet, er glaubt 
also aus innerster Überzeugung; seine eigene Überzeugung und Christi 
Evangelium decken sich vollständig. Wir wollen diesen Zug zu Gott 
und Christus, dies Streben mit ihnen immer mehr eins zu werden, 
Gotteinigkeit nennen. 
Aus dieser Gotteinigkeit fließt nun das, was wir sonst Glaube, 
Frömmigkeit, Gottvertrauen nennen, und was im Grunde eben nichts 
anderes ist, als Gotteinigkeit. Suchen wir die Worte und Thaten in 
denen sich diese christlichen Tugenden besonders deutlich ausdrücken. 
Glaube: Meine Sache ist Gottes Sache. Ich bin von Gott 
dazu erwählt. Die Wahrheit kann nicht verbrannt werden; wenn auch 
der Leib zu Grunde geht, dafür ist mir dein Wort und Geist gut. Ich 
bin überwunden von der Schrift. 
Frömmigkeit: Gott ruft mich nach Worms. Inniger und ge¬ 
waltiger Verkehr mit Gott im Gebet (Ich lasse dich nicht, du segnest mich 
denn; Emporringen aus dem Gefühl der Schwäche und Gottesverlassenheit 
zur Heldenkraft und Gotteinigkeit). Die Sache ist dein und bleibt auch 
bei dir ewig. Ist der Rat aus den Menschen . . . 
Gottvertrauen: Zug nach Worms. Es lebt und regiert noch 
derselbe Gott . . . Christus lebt/und wir werden in Worms einziehen . . . 
Gott wird mit uns sein. Gott helfe mir. 
Aus dieser Gotteinigkeit wachsen nun als herrliche Früchte heraus 
die von uns angestaunten Eigenschaften: 
Mut und Todesverachtung: Hier muß man weder nach 
Gefahr noch Wohlfahrt fragen. Will der Kaiser mich umbringen, so 
will ich kommen. Und wenn meine Feinde Feuer anzündeten. Wir 
werden in Worms einziehen trotz allen Pforten der Hölle. Wenn gleich 
fo viel Teufel in Worms wären . . . 
Willensfestigkeit: Die Widersacher sollen nicht rühmen, als 
hätten wir nicht das Herz, zu bekennen, was wir gelehrt haben. _ Fliehen 
will ich nicht, widerrufen noch viel weniger. Ich werde nicht fliehen und 
das Wort im Stiche lassen, da es gilt. Wir werden in Worms ein¬ 
ziehen, trotz allen Pforten der Hölle. Dem Reichstag gegenüber „ver¬ 
harrt er als ein Fels", er beugt seinen Willen nicht vor dem Willen 
der Mächtigen, die sein Leben in der Hand haben, er fetzt sich, den 
einen, gegen alle, seine eigene Überzeugung gegen die von Millionen und 
von Jahrhunderten. Welche Aufbietung von innerer Kraft er aber hierfür 
nötig hatte, zeigt sein Jubelruf über sein Festbleiben: „Ich bin hindurch." 
Gewissenhaftigkeit und Wahrhaftigkeit: Ich bitte 
um Bedenkzeit, damit ich ohne Gefahr für meine Seele antworten kann. 
Die Welt muß mein Gewissen ungezwungen lassen. Ich widerrufe nicht, 
es sei denn, daß ich mit Zeugnissen der heiligen ^Schrift überwunden 
werde. Ich bin überwunden von den heiligen Schriften, ^ch kann 
nicht anders (nämlich, weil mir das andere — der Widerruf — von 
meinem Gewissen und meiner innersten Überzeugung verboten wird).
	        
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