Full text: Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg (Teil 4)

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Grundsätze Luthers sind die ober st en Grundsätze der 
evangelischen Kirche geworden. 
4. Damit hängt die andere Frage zusammen: Wie soll sich der 
Christ in Glaubenssachen gegen die Obrigkeit verhalten? 
Luther war Unterthan des Papstes und des Kaisers, beide verlangten 
von ihm Änderung seines Glaubens, und er verweigerte beiden den 
Gehorsam. War das recht? Die Schrift sagt doch: Jedermann sei 
Unterthan der Obrigkeit? 
Luther folgt hier dem Beispiel Christi und seiner Apostel. Christus 
war sich bewußt, der verheißene Messias, der Sohn Gottes zu sein, das 
war der köstlichste Besitz seines Herzens. Das sollte er verleugnen oder 
den Tod erleiden. Er floh nicht, er widerrief nicht, er ging in den 
Tod, um seine Überzeugung zu behaupten. Seine Apostel waren sich 
bewußt, im Glauben an den Sohn Gottes alles Heil zu besitzen. 
Diesen Glauben sollten sie verleugnen und verschweigen, gebot die 
Obrigkeit (cf. Präpar. zur Apg. 3.) Sie widerriefen nicht und schwiegen 
nicht, denn sie waren überzeugt: Man muß Gott mehr gehorchen als 
den Menschen. Im übrigen aber fügten sie sich willig den Befehlen 
und Strafen der Obrigkeit. Nehmen wir hierzu noch die Erzählung 
vom Zinsgroschen, so ergiebt sich die rechte Antwort auf unsere Frage: 
In Glaubenssachen hat der Christ nur Gott und 
Christus zu folgen, die den Glauben in ihm gewirkt haben, und 
gebietet ihm die Obrigkeit anders zu glauben, so hat er das Recht, sich 
ihr zu widersetzen und seine Überzeugung zu behaupten. Wenn aber 
die Obrigkeit weise und wahrhaft christlich ist, so wird sie dem Glauben 
ihrer Unterthanen keinen Zwang anthun, sondern wird bloß Dienst und 
Gehorsam in anderen Dingen (z. B.? Steuer, Kriegsdienst, vergl. Apg. 
Nr. 16. III c) verlangen. So scheidet der Christ zwischen dem, was 
er Gott fchuldig ist (nämlich das Herz), und was er der weltlichen 
Obrigkeit schuldig ist (Gut und Blut). Diese Scheidung hatte freilich 
die Obrigkeit und die Christenheit zur Zeit Luthers noch nicht begriffen, 
Luther war der erste, der das Recht verlangte, der göttlichen Stimme 
in seinem Herzen gehorchen zu dürfen. 
So liegt also die Antwort in den beiden Sprüchen: „Man muß 
Gott mehr gehorchen als den Menschen" (Apg. 5, 29) und „Gebet dem 
Kaiser, was des Kaiser ist . . 
5. Charakterbild Luthers. Bergt. IIb. 
6. Kulturgeschichtliches. Vergl. IV., 6. 
IV. 1. Geschichtliche Ergebnisse. 
Th atsachen: 
Luther wird im Frühjahr 1521 vor den Reichstag nach Worms 
geladen, um seine Lehren zu widerrufen. Er weigert aber den Wider; 
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