Full text: Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg (Teil 4)

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Dinges entbehren sann, ausgenommen das Wort Gottes, und ohne das Wort 
Gottes ist ihr mit keinem Ding geholfen. Wo sie aber das Wort hat, so bedarf 
sie auch keines anderen Dinges mehr, sondern sie hat in dem Worte genug: Speise, 
Freude, Friede, Licht, Kunst, Gerechtigkeit, Wahrheit, Weisheit, Freiheit und alles 
Gut überschwenglich. 
6. Zum sechsten. Fragst du aber, welches ist denn das Wort, das solche 
große Gnade giebt? Antwort: Es ist nichts anderes, denn das Evangelium Christi, 
darin du deinen Gott zu dir reden hörst, rote all dein Leben und Werke nichts vor 
Gott seien, sondern müssest mit alle dem, das in dir ist, ewiglich verderben. So 
du solches recht glaubst, so mußt du au dir selber verzweifeln. Daß du aber aus 
dir und von dir, das ist aus deinem Verderben kommen mögest, so setzt er dir vor 
seinen lieben Sohn Jesum Christum und läßt dir durch sein lebendiges, tröstliches 
Wort sagen, du sollst in denselben mit festem Glauben dich ergeben und frisch auf 
ihn vertrauen. So sollen dir um desselben Glaubens willen alle deine Sünden 
vergeben, all dein Verderben überwunden sein, und du gerecht, wahrhaftig, be¬ 
friedigt, fromm, und alle Gebote erfüllt fein, und du von allen Dingen frei sein. 
7. Zum siebenten. Darum sollte das billig aller Christen einziges Werk 
und Übung sein, daß sie solchen Glauben stetig übten und stärkten. Denn kein 
anderes Werk kann einen Christen machen. (Joh. 6.) Darum ist es gar ein über¬ 
schwenglicher Reichtum : ein rechter Glaube in Christo; denn er bringt mit sich alle 
Seligkeit, und nimmt ab alle Unseligkeit, wie Mark. 16, 16 steht: „Wer da glaubt 
und getauft ist, der wird selig; wer nicht glaubt, der wird verdammt/' Also sagt 
S. Paulus Röm. 10, 10: „So man von Herzen glaubt, das macht einen gerecht 
und fromm". 
8. Zum achten. Wie geht es aber zu, daß der Glaube allein mag fromm 
machen und ohne alle Werke so überschwenglichen Reichtum geben, so doch so viel 
Gesetz, Gebot Werk, Stände und Weisen uns in der Schrift vorgeschrieben sind? 
Hier ist fleißig zu merken und ja mit Ernst zu behalten, daß allein der Glaube 
ohne Werke fromm, frei nnd selig macht, wie wir hernach mehr hören werden. Und 
es ist zu wissen, daß die ganze heilige Schrift in zweierlei Worte geteilt wird, welche 
find: Gebote oder Gesetze Gottes und Verheißungen oder Zusagungen. Die Ge¬ 
bote lehren und schreiben uns mancherlei gute Werke vor, aber damit sind sie noch 
nicht geschehen. Sie weisen wohl, sie helfen aber nicht; lehren, was man thun soll, 
geben aber keine Stärke dazu. Darum sind sie nur dazu geordnet, daß der Mensch 
darinnen sehe sein Unvermögen zu dem Guten und lerne an sich selbst verzweifeln. 
Und darum heißen sie auch das alte Testament und gehören auch ins alte Testament. 
So beweist das Gebot: „Du sollst nicht böse Begierde haben", daß wir allesamt 
Sünder find, und kein Mensch vermag ohne böse Begierde zu sein, er thue, was er 
will. Also sind auch alle anderen Gebote uns unmöglich. 
9. Zum neunten. Wenn nun der Mensch aus den Geboten sein Unvermögen 
gelernt und empfunden hat, daß ihm nun angst wird, wie er dem Gebote Genüge 
thue, sintemal das Gebot muß erfüllt sein, oder er muß verdammt sein: so ist er 
recht gedemütigt und zunichte geworden in feinen Augen, findet nichts in sich, wo¬ 
mit er fromm werden könnte. Dann so kommt das andre Wort, die göttliche Ver¬ 
heißung und pufagung, und spricht: willst du alle Gebote erfüllen, deiner bösen 
Begierde und Sünde los werden, siehe da, glaube an Christum, in welchem ich dir 
zusage alle Gnade, Gerechtigkeit, Friede und Freiheit; glaubst du. so hast du, glaubst 
bu nicht, so hast du nicht. Denn was dir unmöglich ist mit allen Werken der Ge- 
bote, deren viele sind und doch keines nütze, das wird dir leicht und kurz durch 
den Glauben. Denn ich habe kurz in den Glauben gestellt alle Dinge, daß, wer 
ihn hat, alle Dinge haben und selig sein soll; wer ihn nicht hat, soll nichts haben. 
JU)o geben die Zusagungen Gottes, was die Gebote erfordern, und vollbringen, 
was die Gebote heißen, auf daß es alles Gottes eigen sei, Gebot und Erfüllung' 
i^r heißet allein, er erfüllet auch allein. Darum sind die Zusagungen Gottes 
■Körte des neuen Testaments und gehören auch ins neue Testament. 
10. Zum zehnten. Nun sind diese und alle Gottesworte heilig, wahrhaftig, 
gerecht, friebsam, frei und aller Güte voll; darum, wer ihnen mit einem rechten 
Glauben anhangt, des @e;te wird ihnen vereinigt so ganz und gar, daß alle Tugenden
	        
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