Full text: Leitfaden der allgemeinen Weltgeschichte

§ 2. Quellen und Hilfswissenschaften. 3 
bene Quellen und ungeschriebene. Die älteste und zwar 
ungeschriebene Quelle ist die mündliche Überlieferung (Tra¬ 
dition der Urvölker). Sie pflanzte sich Jahrhunderte lang fort, 
bis zur Erfindung der Schreibekunst. Die ersten Familien 
und die ältesten Völker mußten begreiflich sorgfältig bedacht sein, 
die Geschichte der Vorfahren ihren Söhnen zu überliefern, und 
wurden hierin unterstützt durch das hohe Lebensalter der Menschen. 
Auch war die Summe der Ereignisse klein, welche sie zu über¬ 
liefern hatten. Von der Erfindung der Schreibekuttst an war 
die Sorgfalt auf die Erhaltung der mündlichen Überlieferung 
nicht mehr so notwendig, weil man in der Schrift ein Mittel 
fand, die Geschichte der Vergessenheit zu entreißen. 
Einen Teil der mündlichen Überlieferung bilden die Sagen, 
die Volkslieder uud die heiligen Gesänge, welche bei den 
religiösen Feierlichkeiten gebraucht wurden. 
4) Die geschriebenen Quellen sind Inschriften, Urkunden 
und Bücher. Nachrichten, welche von Angen- und Ohrenzeugen 
uns überliefert werden, heißen unmittelbare Quellen. Nach¬ 
richten, welche später verfaßt wurden, aber auf unmittelbare 
Quellen sich berufen, sind mittelbare. 
Alle Mittel, wodurch uns die geschichtlichen Quellen verständ¬ 
lich werden, sind Hilfsmittel der Geschichte. Darum hat die 
Geschichte ihre Hilfswissenschaften, durch welche wir die 
geschichtlichen Quellen verstehen lernen. Die vorzüglichsten Hilfs¬ 
wissenschaften sind die Chronologie (Zeitrechnung) und die 
Geographie (Erdbeschreibung), welche auch die beiden Augen 
der Geschichte genannt werden. 
Anmerkungen. 
1. Zu den ungeschriebenen Quellen gehören auch die Deukmale 
oder Monumente, wie z. B. die Felsentempel auf den indischen Inseln 
Salsette und Elefanta und zu Ellore, die Pyramiden 
Ägyptens u. s. w., die Feste, welche zum Andenken einer Begeben¬ 
heit gefeiert wurden, Grabhügel, Leichensteine und Gedächtnis¬ 
säulen, auch Dieb (Hl len (Denkmünzen), wenn sie keine Umschrift 
haben, Wappen, Siegel, d. h. Abzeichen einzelner Personen oder 
ganzer Geschlechter. 
2. Auch die „ersten Geschlechtsregister (Stammbäume) beruhen 
auf mündlicher Überlieferung. Welche Wichtigkeit man auf die Abstam¬ 
mung legte, beweisen die in der Heiligen Schrift aufbewahrten Stamm¬ 
tafeln. Für die Israeliten waren diese von der größten Bedeutung, weil 
nur die Söhne Levis zum heiligen Dienste und nur die Abkömmlinge 
Aarons zum Priestertume berufen waren uud weil der erwartete Messias 
aus dem Geschlechte Davids hervorgehen sollte. Edle und fürstliche Fa¬ 
milien berufen sich heute noch auf ihre Stammtafeln als Beweise ihrer 
Rechtsansprüche. 
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