Object: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Theil 3)

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In betn Buche über die Ursachen d er Größe und des Ver- 
falles der Römer bedient sich Montesquieu der römischen Geschichte, 
um seinen Landsleuten an dem Schicksale der Römer klar zu machen, 
welche Bedeutung einerseits Patriotismus und das Bewußtsein eigener 
Kraft und unvergänglicher Rechte haben, und wie attdererseits die Völ¬ 
ker durch Despotismus herabgewürdigt und ihrem Untergange entge¬ 
gengeführt werden. Montesquieu's Werk über den Geist der Gesetze 
ist daß Ergebniß langjähriger, gewiffenhafter Studien und eröffnet ein 
neues Zeitalter der politischen Wissenschaften. Von dem Grundsätze 
ausgehend, daß die Menschen bei der unendlichen Manttigfaltigkeit ihrer 
Sitten und Gesetze nicht lediglich willkürlichen Einfällen gefolgt sind, 
untersucht Montesquieu das Verhältniß der Gesetze zu den Bedingungen 
des Klimas, deß Bodens, der natürlichen Hauptbeschäftigungen und des 
angebornen Charakters der Völker, sowie ihre gegenseitige Abhängigkeit 
von einander. Alle Verfassungen lassen sich aus drei Grundformen zu¬ 
rückführen, welche freilich nie rein, sondern in den mannigfaltigsten 
Mischungen angetroffen werden. Die Demokratie hat ihre treibende 
Kraft in der politischen Tugend, d. h. in der Liebe zum Vaterlande und 
zur Gleichheit; die Aristokratie gedeiht durch den Geist der Mäßigung; 
die monarchische Verfassung wird durch die Ehre aufrecht erhalten 
und der Despotismus endlich kann nur durch Furcht bestehen. Von 
den drei Grundverfassungen wird die Republik als ein unerreichtes Ideal 
dargestellt, die Despotie dagegen, von welcher die absolut monarchischen 
und militärischen Staaten des Festlandes am meisten an sich haben, als 
eine Pest der Menschheit, die eonstitutionelle Moitarchie aber als letzte 
Zuflucht der europäischen Völker. Jede Verfassung, in welcher die drei 
Gewalten, die gesetzgebende, die ausführende und die richtende, nicht 
von einander getrennt sind, muß in Despotie ausarten. 
Montesquieu stützte seine Gedanken auf die Betrachtung der That¬ 
sachen und der Geschichte; er bemühte sich redlich, durch Forschung und 
Prüfung zur Wahrheit zu gelangen, und wenn seine Betrachtung die 
Verfassung seines Vaterlandes berührt, so erkennt man immer, daß er 
nur abändern, nicht umstürzen wollte. Er erstrebte nicht wie Voltaire 
mit den Waffen des Witzes, nicht wie Rousseau mit der Sprache des 
beredten Gefühles eine Umwälzung. Verachtung und Haß gegen den 
Despotismus, hohe Achtung vor den politischen Tugenden der Alten 
und entschiedene Vorliebe für eine verständige und gemäßigte Freiheit, 
wie England sie bereits damals besaß, das sind die Gefühle, welche der 
Geist der Gesetze überall athmet und in der beredtesten Weise vertritt. 
Jean Jacques Rousseau (1712—1778) war in Genf geboren 
und war der Sohn eines armen Uhrmachers. Alt der Hand einer Er¬ 
zieherin und in einem ländlichen Aufenthalt bildete Rousseau besonders 
sein Gemüth aus sowie die Liebe zur freien Natur. Auch war es von 
Einfluß auf ihn, daß er seine Erziehung und erste Bildung unter Pro¬ 
testanten und in einer Republik erhielt, in welcher damals noch strenge 
religiöse Zucht, große Sittlichkeit, Einfachheit und Häuslichkeit bei gro¬ 
ßem Reichthum bestand. Auch herrschte in dem kleinen Freistaat noch 
republikanisches Leben; und diesen republikanischen Geist sog Rousseau 
ein und nährte ihn durch frühe Bekanntschaft mit Plutarchs Lebensbe¬ 
schreibungen. Er sollte auch Uhrmacher werden und erhielt deshalb
	        
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