Full text: Leitfaden der allgemeinen Weltgeschichte

702 Unsre Zeit. 
Dies geschah nun zwar, allein das griechische Ministerium erklärte 
zugleich in einer Ansprache an das Volk, daß es nur nachgegeben 
habe, weil es außer stände sei, der Übermacht gegenüber etwas 
1869. auszurichten und daß seine Ziele unverrückt dieselben bleiben. 
Zugleich führte man die allgemeine Wehrpflicht ein und schraubte 
das Land zu einem Militärstaat hinauf. Im russisch-türkischen 
Krieg war deshalb Griechenland eine nicht zu unterschätzende 
Gefahr für die Türkei, welche sich von daher stets bedroht sah. 
Zum Danke dafür vertrat Rußland dessen Interesse auf dem 
Berliner Kongreß und brachte es dahin, daß es in Epirus und 
1881- Thessalien seine Grenzen berichtigen durste, wonach es einen Ge¬ 
bietszuwachs von ungefähr 14 000 qkm erhielt. 
696) Nächst dem Aufstande auf Kandia war die türkische 
Oberherrschaft hauptsächlich auch in Ägypten bedroht, dessen 
Seit Vizekönig Ismail Pascha zwar fortwährend die Souveränetät 
lNj3'der Pforte anerkannte, dagegen aber auch mit immer weitern 
Forderungen hervortrat. Namentlich verlangte er das Recht, mit 
den europäischen Staaten selbstherrliche Verträge abzuschließen, 
die Generale der ägyptischen Armee ernennen, die Armee selbst 
auf 100 000 Mann bringen, die heiligen Orte in Arabien be- 
1867. setzen und Münzen prägen zn dürfen. Um Unterstützung zu 
finden, bereiste er die europäischen Höfe unter dem Vorwande, 
1869. zur Eröffnung des Suezkanals einzuladen. Die Pforte aber be¬ 
willigte bis jetzt nur dem Khedive (Vizekönig) die erbliche 
Nachfolge in direkter Linie. In zwei glücklichen Feldzügen gelang 
es Abessinien und Darfur mit Ägypten zu vereinigen. Aber 
die durch diese Kriege und durch unsinnige Verschwendung herbei¬ 
geführte Schuldenlast kosteten Ismail Pascha den Thron. Er 
1879.wurde 1879 abgesetzt, und der Nachfolger Tewfik Pascha, 
der in die Fußstapfen seines Vorfahren trat, wird wahrscheinlich 
i88i. demnächst ebenfalls zum Rücktritt gezwungen werden oder doch 
Beschränkungen der Herrscherrechte sich gefallen lassen müssen. 
697) In der vereinigten Moldau und Walachei hatte 
Fürst Alexander Kusa durch gewaltthätige Verfassungsände¬ 
rung sich die Gemüter der Bojaren abgeneigt gemacht und war 
1866.deshalb vertrieben worden. An seine Stelle wurde Prinz Karl 
von Hohenzollern-Sigmaringen gewählt, _welcher den 
Thron auch Bestieg, obwohl die Großmächte im Anfange Wider¬ 
spruch dagegen einlegten. Auch ihm machten die finanziellen Ver¬ 
hältnisse und die verschiedenen Parteien anfangs Schwierigkeiten; 
allein da es ihm gelang, das Nationalgefühl zu Befriedigen, 
sicherte er sich seine Stellung. Von jeher hatten die Donau¬ 
fürstentümer die türkische Oberlehnsherrlichkeit ungern ertragen
	        
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