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Dies geschah nun zwar, allein das griechische Ministerium erklärte
zugleich in einer Ansprache an das Volk, daß es nur nachgegeben
habe, weil es außer stände sei, der Übermacht gegenüber etwas
1869. auszurichten und daß seine Ziele unverrückt dieselben bleiben.
Zugleich führte man die allgemeine Wehrpflicht ein und schraubte
das Land zu einem Militärstaat hinauf. Im russisch-türkischen
Krieg war deshalb Griechenland eine nicht zu unterschätzende
Gefahr für die Türkei, welche sich von daher stets bedroht sah.
Zum Danke dafür vertrat Rußland dessen Interesse auf dem
Berliner Kongreß und brachte es dahin, daß es in Epirus und
1881- Thessalien seine Grenzen berichtigen durste, wonach es einen Ge¬
bietszuwachs von ungefähr 14 000 qkm erhielt.
696) Nächst dem Aufstande auf Kandia war die türkische
Oberherrschaft hauptsächlich auch in Ägypten bedroht, dessen
Seit Vizekönig Ismail Pascha zwar fortwährend die Souveränetät
lNj3'der Pforte anerkannte, dagegen aber auch mit immer weitern
Forderungen hervortrat. Namentlich verlangte er das Recht, mit
den europäischen Staaten selbstherrliche Verträge abzuschließen,
die Generale der ägyptischen Armee ernennen, die Armee selbst
auf 100 000 Mann bringen, die heiligen Orte in Arabien be-
1867. setzen und Münzen prägen zn dürfen. Um Unterstützung zu
finden, bereiste er die europäischen Höfe unter dem Vorwande,
1869. zur Eröffnung des Suezkanals einzuladen. Die Pforte aber be¬
willigte bis jetzt nur dem Khedive (Vizekönig) die erbliche
Nachfolge in direkter Linie. In zwei glücklichen Feldzügen gelang
es Abessinien und Darfur mit Ägypten zu vereinigen. Aber
die durch diese Kriege und durch unsinnige Verschwendung herbei¬
geführte Schuldenlast kosteten Ismail Pascha den Thron. Er
1879.wurde 1879 abgesetzt, und der Nachfolger Tewfik Pascha,
der in die Fußstapfen seines Vorfahren trat, wird wahrscheinlich
i88i. demnächst ebenfalls zum Rücktritt gezwungen werden oder doch
Beschränkungen der Herrscherrechte sich gefallen lassen müssen.
697) In der vereinigten Moldau und Walachei hatte
Fürst Alexander Kusa durch gewaltthätige Verfassungsände¬
rung sich die Gemüter der Bojaren abgeneigt gemacht und war
1866.deshalb vertrieben worden. An seine Stelle wurde Prinz Karl
von Hohenzollern-Sigmaringen gewählt, _welcher den
Thron auch Bestieg, obwohl die Großmächte im Anfange Wider¬
spruch dagegen einlegten. Auch ihm machten die finanziellen Ver¬
hältnisse und die verschiedenen Parteien anfangs Schwierigkeiten;
allein da es ihm gelang, das Nationalgefühl zu Befriedigen,
sicherte er sich seine Stellung. Von jeher hatten die Donau¬
fürstentümer die türkische Oberlehnsherrlichkeit ungern ertragen