Full text: Vaterländische Geschichte

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X. Die Gerichtsbarkelt. 
1. Für Rechts- und Strafsachen besteht in allen deutschen Staaten 
die gleiche Gerichtsverfassung. Überall wird die Gerichtsbarkeit durch 
Amts- oder Schöffengerichte, Landgerichte und durch das Reichs¬ 
gericht ausgeübt. Das Gesetz unterscheidet Übertretung. Vergehen uud 
Verbrechen. Die mit der geringsten Strafe bedrohten Übertretungen 
werden durch die Schöffengerichte abgeurteilt. Sie bestehen aus 
einem Amtsrichter, der den Vorsitz führt, und zwei durch Wahl 
berufenen Beisitzern, Schöffen genannt. Ein vom Staate bestellter 
Beamter, der Amtsanwalt, vertritt hier die Anklage. Wird Berufung 
eingelegt, so trifft das Landgericht und auf weitere Beschwerde 
das Oberlandesgericht die Entscheidung. 
2. Die Vergehen und einzelne minder schwere Verbrechen werden 
von dem Landgerichte, auf Berufung von dem Oberlandesgerichte 
abgeurteilt. Die Anklage vertritt der Staatsanwalt. Bei Zuwider¬ 
handlungen gegen ein Reichsgesetz entscheidet zuletzt das Reichsgericht. 
Zur Aburteilung der Verbrechen sind die Schwurgerichte bestimmt. 
Sie werden von dem Gerichtshof (drei Berufsrichtern mit Einschluß des 
Vorsitzenden) und den Geschworenen gebildet. Die Geschworenen, 
die ihres Amtes im Ehrenamte walten, entscheiden die Schuld- 
frage, der Gerichtshof bestimmt die gesetzliche Strafe. Die letzte 
Entscheidung hat wieder das Reichsgericht. — Der Dienst als 
Schöffe und Geschworener ist eine staatsbürgerliche Ehrenpflicht. 
Sie hängt, wie die Militärpflicht, von dem Besitz der bürgerlichen 
Ehrenrechte ab. Jeder deutsche Staatsbürger, der das Alter von 
dreißig Jahren erreicht hat, ist verpflichtet, der Einberufung zn 
diesen Ämtern Folge zn leisten. 
XI. Das deutsche Strafgesetzbuch. 
Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch enthält diejenigen Straf- 
vorschriften, auf deren Beachtung überall gehalten werden muß. 
Die strafbaren Handlungen werden in drei Gruppen geteilt: Über¬ 
tretungen, Vergehen und Verbrechen. Die ©trafVorschriften betreffen 
1. Handlungen, durch die das Bestehen des Staates oder der 
Staatsordnung gefährdet wird, 2. Handlungen, durch die die 
einzelnen Staatsangehörigen in ihren Grundrechten oder Lebens¬ 
gütern betroffen werden. Zu der ersten Gruppe gehören der Hoch¬ 
verrat, der Landesverrat, die Beleidigung des Kaisers oder eines 
Bundesfürsten, die Verübung feindlicher Handlungen gegen die 
Volksvertretung, der Widerstand gegen die Staatsgewalt, die Ver-
	        
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