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auseinanderzulegen. Als Lohn gaben sie ihm im voraus ein kunst¬
voll geschmiedetes Schwert, Balmung genannt. Zu seinem Bedauern
mußte er es zuerst gegen die Zwerge kehren; denn sie waren
aus Neid mit seiner gewissenhaften Teilung nicht zufrieden. Er be¬
siegte Niesen und Zwerge und gelangte dabei in den Besitz der „Tarn¬
kappe", durch die er sich unsichtbar machen konnte. So wurde
Siegfried Herr des Nibelungenlandes und des Nibelungenhorts.
2. Siegfried in Worms. Siegfried hörte von der Königstochter
Kriemhild in Worms. Nicht nur ihre Schönheit, sondern auch ihre
Tugendhaftigkeit wurde weit und breit gerühmt. Mit zwölf seiner
Recken machte sich der Held auf, um Kriemhild für sich zu gewinnen.
Ihre Brüder, darunter der König Günther, hörten durch den Ritter
Hagen von Siegfrieds Heldenthaten und nahmen ihn mit Freuden
auf. In allen Kampf- und Wettspielen blieb er Sieger. Mit
Günther zog er nach dem fernen Island und erkämpfte für ihn
mit Hilfe seiner Tarnkappe die schöne und starke Brun hüt). Dafür
war ihm Kriemhilds Hand verheißen worden. Nach der Rückkehr
wurde unter großem Gepränge die Doppelhochzeit gefeiert.
3. Wie Siegfried erschlagen ward. Nach zehn Jahren erschien
das herrliche Paar aus den Niederlanden am Hofe zu Worms zum
Besuche. Stolz auf die Manneswürde und auf die Körperkraft
ihres Gemahls erregte Kriemhild durch ihre Lobeserhebungen den
Neid und die Eifersucht Brunhilds. Bald artete die Mißgunst in
bittere Feindschaft aus. Auf einem Kirchgänge stritten sich beide
Fürstinnen um den Vortritt. Bei dieser Gelegenheit entfuhr Kriemhild
das verhängnisvolle Wort: „Wisse, es war nicht Günther, der dich
besiegte, sondern Siegfried, mein Gemahl." In ihrem Kummer
gewann Brunhild den grimmigen Hagen zum Rächer ihrer Ehre.
Durch eine vorgespiegelte Heerfahrt ins Sachsenland wurde Kriem¬
hild veranlaßt, die verwundbare Stelle ihres Gemahls durch ein
Kreuz zu kennzeichnen, damit ihn Hagen besser schützen könne. Auf
einer anstatt des Krieges veranstalteten Jagd wußte er dann den
Siegfried von seinen Jagdgenossen zu entfernen. Bei dieser Gelegen¬
heit führte er seinen Racheplan ans und erschlug Siegfried hinterlistig,
als er sich niederbeugte, um zu trinken.
Groß war der Schmerz und die Trauer Kriemhilds, die den
Mörder wohl kannte. Nach langen Jahren erst fand eine Aussöhnung
mit ihren Brüdern statt, nicht aber mit Hagen, der ihr bald noch
eine tiefe Wunde schlug. Um die Sckwester in ihrem Leid zu trösten,
hatten ihr die Brüder den Nibelungenhort nach Worms bringen