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Jahre 1823 aber wurde Karl mündig und trat als Karl II. die Regierung an.
Doch verstand er es nicht, sich die Liebe seines Volkes zu erwerben. Ja, es kam
schließlich zu offenem Aufruhr. (7. September 1830.) Der Herzog mußte
flüchten. Das herzogliche Schloß ging hinter ihm in Flammen auf. Er lebte
von da ab größtenteils in Paris und zuletzt in Genf. In Genf ist er 1873
gestorben; dieser Stadt hat er auch sein ganzes Vermögen vermacht.
2. Wilhelm tritt die Regierung an. Sobald der Prinz Wilhelm, der
damals in Berliu als Major diente, von den Vorgängen in Braunschweig Kunde
erhielt, reiste er nach der Heimat. Im Schlosse Richmond vor Braunschweig
nahm er Wohnung. Das Volk war hocherfreut und strömte in Scharen hinaus,
den Prinzen zu sehen. Er übernahm sosort die Leitnng der Staatsangelegen¬
heiten, aber erst an seinem Geburtstage, dem 25. April 1831, trat er endgültig
die Regierung an. Von Richmond ans hielt er seinen Einzug in die Stadt, die
sich festlich geschmückt hatte. Auf dem Altstadtmarkte leistete ihm die Bürger¬
schaft den Huldigungseid.
3. Wilhelm als Landesvater. Mit Wilhelm begann eine glückliche Zeit
für unser Land. Schon 1832 kam eine neue Verfassung zustande.
Nach dieser übt der Landesherr die Herrschaft in eigener Machtvollkommenheit aus.
Ihm zur Seite steht das Ministerium, die höchste Landesbehörde. Es setzt sich aus
einem Minister und zwei Wirklichen Geheimen Räten zusammen. Bei der Gesetzgebung
sowie Aufstellung des Staatshaushaltes wirkt die Landesversammlung mit. Sie zählt 48
vom Volk erwählte Mitglieder.
1834 erschien bann auch das Ablösungsgesetz, wodurch die auf ben Bauern¬
höfen lastenben Zehnten, Abgaben unb Herrenbienste in eine einmalige Geld¬
abgabe verwandelt wurden. Auch eine Stäbteorbnung würbe eingeführt.
Diese gab den Bürgern das Recht, sich den Magistrat und die Stadtverordneten
selbst zu wählen, und befreite die Handwerker von dem drückenden Zunftzwange.
So war für ben Bürger unb Bauer aufs beste gesorgt, unb in kurzer Zeit
gelangten beibe zu großem Wohlstanbe. Um Handel und Wandel zu fördern,
legte der Herzog schon 1838 eine Eisenbahn von Braunschweig nach Harzburg
hin an (eine der ersten Bahnlinien Deutschlands) und sorgte dafür, baß sich bas
Eisenbahnnetz in seinem Laube immer mehr erweiterte. Auch würben überall im
Laube Steinstraßen (Chausseen) angelegt. In ben Dörfern verschwanben nach
unb nach bie alten Strohdächer unb erhoben sich massive, mit Ziegeln gebeckte
Wohnhäuser, gotische Kirchen unb stattliche Pfarr- unb Schulhäuser. In ber
Restbenz würben großartige Bauten aufgeführt: bas neue Hoftheater, bas Poly¬
technikum, bas Lanbeskrankenhaus, ein Gymnasium, ber Justizpalast u. a. (Deutsche
Jugenb 5, Anhang, S. 397: Herzog Wilhelm von Bronswyk.)
5\. Kaiser Wilhelm I. 1861—1888.
a. Wilhelm als Prinz.
1. Jugend. Wilhelm würbe ant 22. März 1797 geboren. Sein Vater
war der König Friedrich Wilhelm III., seine Mutter die Königin Luise (S. 56).
In seinen Knabenjahren war der Prinz sehr schwächlich; die Mutter hatte oft
große Sorge um ihn. Die Flucht von Königsberg nach Memel 1807 mitten
im kalten Winter hatte feine Gesundheit so sehr angegriffen, daß er lange Zeit
nachher das Bett hüten mußte. Im Alter von 13 Jahren raubte ihm der Tod
Sa8nmetjer u. Schulze, Geschichte für braunschweig. Schulen. 7