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II. Periode.
deren und höheren Schichten sittlich und religiös verheerend,
wogegen sich gerade die kernhaftesten Charaktere von den Lehren
der Stoa angezogen fühlten. Die Litteratur dagegen hat dem
Einfluls der Griechen geradezu ihre Entstehung zu verdanken
und entwickelte sich fast nur in fortwährendem Anschlufs an
griechische Vorbilder.
a. Poesie. Der älteste Dichter in lateinischer Sprache
ist der Tarentiner Andronikos, der als Sklave eines Livius
nach Koni kam, von seinem Herrn frei gelassen und daher
Livius Andronikos genannt wurde (gest. 207); er verfafste
in dem altertümlichen „saturnischen“ Verse eine Übersetzung der
Odyssee. In demselben Mafse schrieb Nävius (gest. 194) ein
Epos über den ersten punischen Krieg. Der Halbgrieche Ennius
aus Rüdiä in Kalabrien (gest. 169) dagegen bürgerte durch seine,
16 Gesänge umfassenden Annales (= Jahrbücher), eine römische
Geschichte in epischer Form, den griechischen Hexameter, das
Versmals Homers, in Rom ein. Von den Griechen ist auch
das römische Lustspiel entlehnt, dessen Vertreter, der ge¬
niale, volkstümliche Titus Mäccius Plautus aus Särsina in
Umbrien (gest. 184), und der feine Publius Terentius aus
Afrika (gest. 159), ihre Stoffe den Dichtern der „neuen Komödie“
entnahmen; ebenso verfuhr der Trauerspieldichter Pacüvius.
Auf der Grenzscheide der Zeiten steht der wackere Ritter Gaius
Lucilius aus der latinischen Kolonie Suessa (148—103), der in
seinen „Plaudereien“ (säturae) alle Schäden der Zeit mit Freimut
geifselte.
ß. 1) i e P r o s a ist durch die Historiker Q. F äbi u s P i c t o r
und Cato vertreten, von denen der erste noch der griechischen
Sprache für seine römische Geschichte sich bediente, während
Cato seine höchst wertvollen „Ursprünge“ (orlgines), eine Geschichte
Italiens vom Anfang bis auf seine eigene Zeit, lateinisch abfafste.
Halb der römischen Litteratur gehört auch Polybios aus Me¬
galopolis an (204—122), ein Hellene, der in Rom durch seltsame
Fügung des Geschicks heimisch geworden war und in 40 Büchern
das Zeitalter der drei punischen Kriege in der Absicht schrieb,
der hellenistischen Welt darzuthun, dafs Rom seine wunderbaren
Siege seiner Tüchtigkeit verdanke und seine Herrschaft „das
schönste und nützlichste Werk des Schicksals“ sei.