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II. Periode.
wohls zu brechen, liefs, was noch nie geschehen war, den Octa¬
vius als Gegner des Volkswohls absetzen und brachte das Gesetz
durch. Um aber seine Ausführung zu sichern, bewarb er sich
auch für 133 um das Tribunät und wurde bei den Unruhen, die
sich anläfslich der Wahl erhoben, von einer Rotte Optimäten
unter Anführung des Publius Scipio Nasica am Fufs des Kapitols
mit Knütteln erschlagen (Herbst 133).
b. Trotzdem blieb die Kommission der Dreimänner für die
Aufteilung des Staatslandes (tresviri agris clandis assignandjs),
welcher auch Tiberius angehört hatte, bestehen und binnen sieben
Jahren wuchs durch ihre Thätigkeit die Zahl der ansässigen (S. 129)
Bürger von 319 000 auf 395 000 an. Damit war an sich auch
Gracchus’ Schwager, der jüngere Scipio Ämilianus, einver¬
standen, so sehr er die gewaltsamen Mittel verwarf, mit denen
Tiberius seinem Ziele zugesteuert war: als aber die Kommission
ihre Arbeit auch auf das von den Latinern in Pacht genommene
Staatsland ausdehnen wollte, trat Scipio ins Mittel, weil er es für
unpolitisch ansah, die Latiner aufzuregen, auf deren Treue guten-
teils die Rettung Roms in der hannibalischen Not beruht hatte und
von der das Reich fortwährend um so mehr abhing, je unzu¬
friedener allmählich die ändern Bundesgenossen mit ihrer Zurück¬
setzung hinter den römischen Bürgern wurden; denn sie durften
1) weder abstimmen, noch 2) ein Amt bekleiden, noch erhielten
sie 3) von der Kriegsbeute denselben Anteil wie die römischen
Bürger. Bald hernach starb Scipio plötzlich; ob durch einen
Schlaganfall oder durch ein Verbrechen der gracchischen Partei,
ist nicht ausgemacht.
c. Im Jahre 123 übernahm des Tiberius jüngerer Bruder,
Gäius Gracchus, das Tribunat mit der Absicht, die Ziele der
Volkspartei (der „Populären“ im Gegensatz zu den „Optimäten“)
nicht blofs an dem einen Hauptpunkt des Aekergesetzes, sondern
auf der ganzen Linie durchzusetzen und die Herrschaft des Senats
zu brechen; wenn sein Bruder wesentlich Sozialreformer ist, so
ist Gäius auch politischer Reformer. Die Ackerverteilung ging fort;
aber Gaius, der erste Staatsmann, den Rom bislang hervorge¬
bracht, und ein gewaltiger Redner und einer der „Bildner der
Sprache“, suchte das allmählich sich erschöpfende Feld der Acker¬
austeilung dadurch ins Unermessliche zu erweitern, dafs er das
System der Kolonisation, welches seither blofs auf Italien ange¬
wandt war, in seinem zweiten Tribunat (122) auf die Provinzen