— 162 —
mit diesem trägen Hin- und Herziehen und nannten den Fabius
ipottend den Zauderer (cunctator), welchen Namen er nachher als
Ehrennamen behielt; denn er ließ sich nicht irre machen, sondern
blieb seinem Plane getreu. Und beinahe hätte er den schlauen Kar¬
thager gefangen. Wegweiser führten den Hannibal irre: dieser sah
sich plötzlich in einem ganz von Bergen umringten Thale einqe-
1- den Fabius auf den Anhöhen. Sorgfältig beseiten
die Römer alle Ausgänge. In der Nacht aber' ließ Hannibal
2000 Ochsen Reisbündel an die Hörner binden, das Reisig an¬
zünden und jo die Ochsen gegen das Heer der Römer treiben. Diese,
welche nicht anders glaubten, als daß das ganze seindliche Heer
gegen sie im Anzuge ]ci, und überall Flammen sahen, wußten nicht,
auf welcher Seite sie sich zuerst verteidigen sollten, und in der all¬
gemeinen Verwirrung hatte Hannibal Zeit, aus dem eingeschlossenen
Raum zu entkommen.
Darauf zog Hannibal bei Fabius' Landgütern vorbei. Er ließ
alles umher plündern und befahl, nur diese Landgüter zu verschonen,
^eine Absicht gelang. Die unzufriedenen Soldaten erregten den
Argwohn, daß Fabius ein geheimes Einverständnis mit dem Feinde
habe; und als der kühne Unterbefehlshaber Minucius einen kleinen
Vorteil über die Karthager gewann, ward ihm gleicher Anteil an
dem Oberbefehl des Heeres gegeben. Fabius teilte das Heer mit
ihm. Minucius sah sich kaum frei von dem lästigen Zwange, als
er die Höhen verließ und — in einen Hinterhalt des Hannibal
stürzte. Er hätte vielleicht nicht einen Mann zurückgebracht, wenn
ihm nicht Fabius zu Hülfe gekommen wäre. Als Hannibal diesen
"ber kommen sah, zog er sich zurück und sagte: „Ich habe es immer
wohl gedacht, daß die Wolke auf den Bergen uns einmal ilime-
Witter bringen werde."
Nach der Schlacht berief Minucius seine Soldaten. „Genossen,"
sprach er, „derjenige ist der erste Mann, der gut rät; derjenige der
zweite, der gutem Rate folgt: wer aber weder selbst zu raten', noch
dem guten Rate zu folgen versteht, der ist der allgemeinen Ver¬
achtung wert. Fabius hat uns errettet. Auf! laßt uns zu ihm
und seinen Kriegern gehen, ihn als Vater, sie als unsere Retter be¬
grüßen und so uns wenigstens den Ruhm dankbarer Herzen ge¬
winnen." Alle gingen zum Heere des Fabius. „Nimm uns gütig
wieder auf hinter deinen Oberbefehl," sprach Minucius. Und alle
umarmten sich. Bekannte und Unbekannte bewirteten einander als
Gastfreunde, und ein Tag, der kurz vorher ein Tag der Trauer und
allgemeiner Verwünschungen war, endigte als ein'festlicher Tag der
Freude.
4. Für das nächste Jahr hatten die Römer zwei neue Feld¬
herren erwählt, von denen der eine ein stürmischer, unvorsichtiger
Mann war. Hannibal wünschte daher nichts sehnlicher als eine
Schlacht: und der unbedachtsame Römer gewährte ihm diesen Wunsch
nur zu bald. Das römische Heer griff die hervorragende Mitte der
karthagischen Schlachtreihe an. Diese zog sich gleichsam fliehend zurück.
Die Römer folgten, und da indes die beiden Flügel des karthagischen