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Karthagos. Da ward Hannibal zurückberufen. Traurig wie einer,
der vom Vaterlands scheidet, verließ der große Feldherr Italien, das
Land seiner Siege, das er in der That erobert hatte und das er,
von seinen Mitbürgern verladen, aufgeben mußte.
Er landete in Afrika und ging dem Scipio entgegen. Doch
erkannte er bald, daß sein Sieger ihm überlegen sei. Er bot also
Frieden an, und im Angesichte beider Heere traten die beiden größten
Feldherren ihrer Zeit hervor und unterhandelten. Aber vergebens!
Der Römer verlangte gänzliche Unterwerfung. Jetzt sollte eine
Schlacht entscheiden. Hannibal bot die höchste Kraft seiner Klug¬
heit und Geistesgegenwart auf. Die Stellung des Heeres war
musterhaft, wie Scipio selbst eingestand. Aber seine Soldaten waren
entnervte, zusammengeraffte Scharen: seine altgeübten Krieger waren
in Italien gefallen. An 20 000 waren gefangen, und eben so viel
wurden ermordet. Die Karthager mußten sich jede Bedingung ge¬
fallen lassen. Sie mußten alles außer ihrem Gebiet in Afrika den
Römern abtreten: Spanien, Sizilien, Sardinien. Alle römischen
Kriegsgefangenen mußten sie umsonst ausliefern, alle abgerichteten
Elefanten hergeben und versprachen, nie wieder dergleichen abzurichten.
Alle Kriegsschiffe bis auf zehn sollten sie verbrennen, keinen Krieg ohne
Einwilligung der Römer anfangen, und endlich sollten sie den Römern
die Kosten des ganzen Krieges, über 30 Millionen Mark, bezahlen.
Als zur Abtragung dieser Summe eine Kopssteuer angeordnet
ward, weinte alles. Hannibal aber lachte bitter und rief: „Damals
hättet ihr weinen sollen, als ihr vor den Feinden flöhet, euch die
Waffen genommen, die Sckiffe verbrannt wurden!"
6. So sehr nun Karthago auch gedemütigt war, so konnte
doch Hannibal nicht ruhen. In Asien herrschte damals ein er¬
oberungssüchtiger König Anüochns. An diesen schickte Hannibal
heimlich Gesandte, sich mit den unzufriedenen Griechen gegen die
Römer zu verbinden und diese in ihrem eigenen Lande, in Italien,
anzugreifen. Allein die Unterhandlung ward verraten. Römische
Gesandte erschienen in Karthago und verlangten die Auslieferung
Hannibals.
Die Karthager hatten sich diesem Verlangen wohl fügen müssen;
Hannibal aber entrann in der Nacht, bestieg ein Schiff, das für
ähnliche Fälle schon längst bereit lag und setzte nach der kleinen
Insel Eeocina über. Hier lagen einige karthagische Kaufmanns¬
schiffe. Man empfing ihn mit Jubel, wunderte sich aber, ihn hier
zu sehen. Doch er kam jedem Verdachte durch die Erdichtung zuvor,
er gehe als Gesandter nach Tyrus, der Mutterstadt Karthagos.
Indes konnte leicht ein Schiff absegeln und nach Karthago Nach¬
richt von seinem Aufenthalt bringen. „Hört," sprach er daher zu
den Schiffern, „ruckt eure Schiffe zusammen und spannt die Segel
aus, damit wir beschirmt vor der Abendsonne im Schatten trinken
können." Es geschah. Man veranstaltete ein Mahl, und Hannibal
nötigte fleißig zum Trinken. Als alle berauscht fest schliefen, lösete
er sein Schiff und ruderte mit seinen wenigen Getreuen davon nach
Asien zum Antiochus.