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„Als es etwa um neun Uhr und wieder ein wenig in unserem 
Hause still war, sagte der Vater, wir wollten uns verstecken und zwar 
auf dem alten Boden; der war sehr finster, und wenn einer auch 
hinaufgekommen wäre, so hätte er uns wegen der Finsternis nicht 
sehen können, denn wir steckten ganz hinter dem Dache. Wenn uns 
aber Gott selbst nicht ganz wunderlich da herausgeführet hätte, so 
wären wir alle miteinander daselbst verbrannt. 
Als wir uns nämlich auf dem alten Boden versteckt hatten, war 
unsere gewesene Magd, deren Mann selbige Nacht die Wache am 
Lakenmacherthor gehabt, unser Unglück und Glück. Dieselbe war in 
dem großen Schrecken zn uns gelanseu und wollte bei uns bleiben, 
meinend, daß es doch um ihren Mann geschehen sei, weil er eben auf 
der Wache war. Als wir auf dem Boden eilends uns verkrochen, 
hatte sie sich ein wenig in dem Kohlenkämmerchen verweilet und ihre 
Sachen, die sie in einem Korbe trng, verstecket, und wollte nun auch 
über den Hof zu uns laufen. Da sieht sie ein Soldat, und ist hinter 
ihr drein mit ziemlichem Schreien: „Halt! Halt!" Die Magd läuft 
mit dem Ausrufe: „Ach, ack!" geschwind die Treppe hinauf zu uns 
auf den Boden. Der Soldat aber kommt nach und findet uns. Da 
ging er auf den Vater los mit einem Spitzhammer. Die Mutter lief 
alsbald zu mit Schreien, und wir Kinder alle um ihn herum bitten 
und rufen, er soll doch den Vater leben lassen. Christian, mein vierter 
Bruder, so damals noch ein kleines Kind, das kaum ein wenig lausen 
und lallen konnte, spricht in der großen Angst zu dem Soldaten: „Ach! 
laß doch den Vater leben! Ich will dir auch meinen Dreier geben, 
den ich auf den Sonntag bekomme." 
Die Worte des einfältigen Kindes bewegten vielleicht durch Gottes 
gnädige Schickung das Hirz des Soldaten, daß er alsbald sich änderte 
und aus einem grausameu ein freundliches Gemüt zu uns wendete. 
Er sah uns Kinder an, wie wir da um ihn herumstanden, und sagte: 
„Ei, das sind feine Bübel!" denn er war ein Nürnberger, und zum 
Vater sprach er: „Willst du mit den Kindern herauskommen, so gehe 
alsbald fort; denn die Kroaten werden Über eine Stunde hereinkommen; 
so wirst du mit deinen Kindern schwerlich leben bleiben!" Indessen 
besann er sich und spricht: „Ja, ich habe aber noch keine Beute ge¬ 
macht, ich will dich wohl hinausführen, aber ich muß erst Beute machen", 
und wollte wieder hinweg. Da fielen wir ihm zu Füßen und baten, 
er solle uns doch mitnehmen; wir wollten ihm gern, wenn er uns nach 
Gommern, zwei Meilen von Magdeburg gelegen, bringen würde, zwei¬ 
hundert Thaler geben. Aber er sagte, er müsse erst Beute haben, wir 
sollten nur an dem Orte bleiben, er wolle noch ein paar Häuser ab¬ 
suchen, bis er Beute habe, hernach uns holen, schwur und vermaß sich 
hoch, er wolle wiederkommen. Weil er nun so gar hart darauf be¬ 
stand, daß er Beute haben müsse, so spricht unsere Magd, er solle mit 
in ihr Haus gehen, da sei eine Hucke mit Kleidern und Geld und
	        
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