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möchten. Die Anstrengungen des wackeren Mannes waren sehr groß;
fast erlagen seine Kräfte — da brach auf der andern Seite der vom
Strome selbst gebildete Damm, und die Rettung war erzielt mit Gottes
gnadenvollem Beistände. Ruhig, als hätte er in seinem Acker gepflügt,
stieg der Bauer aus der Schlucht heraus, ging nach seinem Hause, dankte
Gott inbrünstig und meinte, er habe eben nichts Besonderes gethan.
Daß er sein Leben gewagt für die Brüder und es für sie in echter
Treue eingesetzt hatte, das fiel ihm nicht ein. Er meinte, jeder andere hätte
dasselbe thun können und wollen, wäre er an seiner Stelle gewesen; ja,
als ihm seine geretteten Mitbürger dankten und seine Tapferkeit priesen,
da wies er's entschieden ab.
Erzähle!
Überschrift: Der uneigennützige Retter.
Hierbei bleiben wir zunächst betrachtend stehen.
Vertiefung.
Die furchtbaren Wafsermaffen haben das halbe Dorf fortgerissen.
Denkt euch den Zustand im Dorfe! (Beschreibung.) In diesem greuel¬
vollen Durcheinander wo jeder das Ganze vergißt und nur an sich selbst
denkt, da verliert ein Mann den Kops nicht — weil er nicht an sich
selbst denkt. So ist es das Rechte. Schrecklich ist die Gefahr, groß ist
das Unheil schon gewesen; aber noch schrecklicher kann sie werden, größer
das Unheil werden. Und das kann man verhindern, das muß man ver¬
hindern. So denkt der Bauer, und ohne Umstände geht er ans Werk.
Und an der rechten Stelle. Er ruft keine Hilfe herbei; er weiß, daß
jeder Augenblick, der verloren geht, nicht mehr zu ersetzen ist. Auch denkt
er daran, daß fein Thun ihm große Gefahr bringt und er will keinen
andern in die Gefahr verwickeln. Komme ich um, denkt er, dann ist's
doch nur einer.
So häuft er den Damm in der Schlucht auf. Und siehe, sein
Beispiel ruft die andern herbei; es giebt ihnen Mut. So hat er
erreicht, woran er gar nicht dachte. Aber er bleibt der Leitende; die
andern sind nur feine Diener. Sein Mut wächst. Er denkt daran,
wieviel Segen sein Werk bringen, wieviel Leben, wieviel Hab und Gut
er retten kann; das giebt ihm neue Kräfte. Für ihn selbst steigt die
Gefahr bis aufs höchste; er achtet es aber nicht.
Aber der Bauer thut das Ganze auch nicht allein aus sich. Wer
weiß wie sehr der Mann im Innern zu Gott gebetet hat. Ja ganz
gewiß hat er das gethan, und Gott hat ihm geholfen. Einen solchen
braven Mann verläßt er nicht in der Not. So ist es denn auch ge¬
kommen, daß der Tapfere sein Werk vollenden konnte. War es nicht
übermenschlich, daß er allein den furchtbaren Wogen Trotz zu bieten ver¬
mochte ! Wer anders als Gott hat ihn hier zu einem Übermenschen