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V. Kokon, der Gesetzgeber Athens.
594 v. Chr.
Nach des Kodros Tod (S. 111) suchte der athenische
Adel seine Macht auf Kosten des Königthums zu erweitern.
Er erklärte, einem so hochherzigen Manne, wie Kodros, sei
keiner mehr würdig auf dem Throne zu folgen, und führte
an Stelle des Königs das Amt eines lebenslänglichen
Archonten, d.h. Regenten, ein, der dem Adel verantwortlich
sein sollte. Medon, des Kodros Sohn, war der erste Archon.
Nach etwa 300 Jahren (752) beschränkte man die Dauer
der Archontenwürde aus 10 Jahre, und bald ging man auch
von der Erblichkeit ab (713), indem auch Männer aus den
anderen vornehmen Familien zu Archonten gewählt wurden.
Damit war das Wesen des Königthums verschwunden. Es
dauerte nicht lange, so zerschlug derAdel die höchste Herrscher¬
gewalt vollständig, indem er jedes Jahr neun Archonten ein-
setzte(682).SokonnteinwenigJahreneineMengevon Adels¬
familien an den höchsten Ehren des Staates Theil haben.
Wir haben also jetzt in Athen eine Adelsherrschaft, und
diese war gegen das niedere Volk, das fast rechtlos war,
höchst drückend und ungerecht, so daß der größte Theil des¬
selben in Noth und Armuth kam. Mit dem vermehrten Druck
stieg die Unzufriedenheit; namentlich verlangte das Volk die
Abfassung eines Gesetzbuches, damit es doch wisse, nach
welchen Gesetzen es gerichtet würde. Denn bisher hatte der
Adel nach altem Herkommen und mit Willkür Recht gesprochen.
Man gab der drohenden Stimmung des Volkes nach und
übertrug im I. 624 dem Archon Drakon eine schriftliche
Zusammenstellung der Gesetze. Aber die Gesetze des Drakon
waren sehr hart, man sagte von ihnen, sie seien mit Blut ge¬
schrieben; denn aus die geringsten Vergehen war wie aus die
schwersten der Tod gesetzt. Wer Obst oder Gemüse stahl,
wurde hingerichtet wie der Mörder und Tempelräuber.
Drakon selbst soll gesagt haben, für das kleinste Vergehen sei
die Todesstrafe nicht zu hart, für die größten lasse sich keine
härtere Strafe finden. Natürlich wurde jetzt die Unzufrieden-