Full text: Von der Reformation bis zur Französischen Revolution (Bd. 4)

Luther im Kloster. 19 
die Philosophie, die alten Classiker und die Bibel mit un¬ 
ermüdlichem Fleiße, so daß er sich eine schwere Krankheit 
zuzog. Ein alter Priester, der ihn in seiner Krankheit be¬ 
suchte und dem mit Todesgedanken erfüllten Jüngling Muth 
zusprach, sagte zu ihm: „Seid guten Muthes, ihr werdet 
dieses Lagers nicht sterben, unser Gott wird noch einen 
großen Mann aus euch machen, der viele trösten wird." 
Im I. 1505 erlangte Luther die Würde eines Magisters 
der Philosophie, und er hielt Vorlesungen über diese Wissen¬ 
schaft, ohne jedoch das Studium der Rechtswissenschaften 
aufgeben zu wollen. Da geschah es, daß er eines Tages 
seinen geliebten Freund Alexis auf seiner Stube ermordet 
fand, und nicht lange nachher schlug bei einem Gewitter 
der Blitz ganz nahe bei ihm in den Boden, ohne ihn selbst 
zu verwunden. Dadurch wurde sein ohnedies ernstes und 
trübes Gemüth anss tiefste erschüttert, und er beschloß, der 
Welt zu entsagen und sein ganzes Leben Gott und seinem 
Dienste zu weihen. Er trat, den Frieden der Seele suchend, 
ohne Wissen und Willen seines Vaters in das Augustiner¬ 
kloster zu Erfurt ein (1505) und erhielt nach zweijähriger 
Probezeit die Priesterweihe (1507). 
In dem Kloster verrichtete Luther mit der größten 
Gewissenhaftigkeit die niederen Dienste, die ihm in feiner 
Probezeit oblagen; dabei studirte und betete er Nacht und 
Tag und zerquälte tlt übertriebener Frömmigkeit und dem 
Bewußtsein menschlicher Sündhaftigkeit fein geängstetes Herz, 
so daß ihm der ehrwürdige und gelehrte Generalvicar des 
Augustinerordens in Deutschland, Johann von Staupitz, bei 
seinem Aufenthalt in Erfurt einst sagte: „Du willst mit Ge¬ 
walt ein Sünder sein und hast doch keine rechte Sünde. 
Soll Christus dir helfen, fo mußt du nicht aus jedem Ge¬ 
danken gleich eine Sünde machen." Einmal schloß sich Lu¬ 
ther in trüber, verdüsterter Stimmung mehrere Tage lang 
in seine Zelle ein, ohne etwas zu essen und zu trinken. Als 
die Mönche zuletzt seine Thüre aufbrachen, fanden sie ihn 
besinnungslos daliegen; sie weckten ihn durch die Töne der 
Musik, die er außerordentlich liebte, wieder auf. 
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