Full text: Von der Französischen Revolution bis zur Erneuerung des Deutschen Kaiserreiches (Bd. 5)

Flucht des Königs 21. Juni 1791. 19 
männer, die den Thron umzustürzen trachteten, setzten ihr 
Wühlen fort und verbreiteten gegen die Königsfamilie un¬ 
aufhörlich Mißtrauen und Haß. In der Nationalversammlung 
erlitten die Gemäßigten eine Niederlage nach der andern. 
Necker, trotz seiner Eitelkeit die Unzulänglichkeit seiner Kraft 
erkennend, verließ, nachdem er sich mit der National- 
Versammlung entzweit, Paris und Frankreich; Mirabeau, 
der in der letzten Zeit vom Hofe gewonnen war und ver¬ 
möge seines gewaltigen Genies vielleicht noch den rollenden 
Wagen der Revolution hätte aufhalten und in gemäßigte 
Bahnen hätte lenken können, starb am 2. April 1791. Sein 
wüstes Leben und die außerordentlichen Anstrengungen der 
letzten ^ahre brachten ihm fchon im 42. Lebensjahre den 
Tod. Unter solchen Umständen reifte in dem König der 
Gedanke, sich aus seiner traurigen Lage, die säst nicht besser 
als eiue Gefangenschaft war, durch die Flucht zu befreien; 
er wollte mit Hilfe des ihm treu ergebenen, in Lothringen 
stehenden Generals Bonillö sich in die Nähe der deutschen 
Grenze flüchten, um von da aus, unterstützt von seinen aus¬ 
wärtigen Freunden, eine Gegenrevolution zu beginnen. In 
der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 1791 entfloh er mit 
seiner Familie und einer Anzahl von Bediensteten aus Paris 
und kam mit zwei großen Reisewagen am Abend des 22. Juni 
nach 6t. Menehould. Als er hier die Unvorsichtigkeit be¬ 
ging, aus dem Wagen heraus zu sprechen, erkannte ihn der 
jakobinisch gesinnte Postmeister Drouet. Derselbe ritt sogleich 
mit einigen jungen Männern nach der nächsten Station 
Varennes voraus und setzte die Obrigkeit und die Gemeinde 
in Bewegung, und als der königliche Reisezug in der Nähe 
von Varennes erschien, ward die Gesellschaft angehalten 
und gefangen genommen. Der König glaubte sich anfangs 
unerkannt; als er aber sein Unglück gewahr ward, fiel er 
den Umstehenden um den Hals und bat sie flehentlich, ihn 
^en Su lassen. „Ja," rief er, „ich bin euer König. 
,v5ch fliehe vor den Dolchen und Bajonneten der Hauptstadt 
und suche in der Provinz, mitten unter meinen treuen Unter¬ 
thanen, die Freiheit und die Ruhe, die der Geringste von 
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