Full text: Die vorchristliche Zeit (Theil 1)

Babylon, wo man das Perserjoch abwerfen wollte, zu den Waffen. 
Darius zog selbst hin an der Spitze seines Heeres und belagerte die 
Stadt; doch diese war so fest, daß sie jedes Angriffes spottete. Als nun 
der König einst mißmuthig in seinem Zelte saß und schon sein Vorhaben 
aufzugeben gedachte, trat plötzlich sein Feldherr Zopyrus herein. Nase 
und Ohren waren ihm abgeschnitten, das Haupt wie einem Sklaven ge¬ 
schoren, der Rücken mit Geißelhieben blutig zerfleischt. Erschrocken sprang 
der König auf und rief: „Wer ist der Verwegene, der so an meinem 
treuesten Diener gehandelt hat?" — „Ich selbst" — antwortete jener 
ganz ruhig — „und zwar aus Liebe zu dir, o König; denn so hoffe ich, 
die Stadt zu erobern. So wie du mich hier siehst, gehe ich nach Baby¬ 
lon und sage, ich sei von dir so grausam verstümmelt worden und 
wünschte nun nichts mehr, als an dem Grausamen mich zu rächen. Sie 
werden mir eine Mannschaft geben und mit derselben werde ich glück¬ 
liche Ausfälle thun. Du mußt mir am zehnten Tage 1000 Mann der 
schlechtesten Truppen entgegenschicken, daß ich sie schlage; sieben Tage 
darauf 2000 andere und nach zwanzig Tagen 4000. Bin ich so zu drei 
Malen glücklich gewesen, so werden sie mir gewiß trauen und den Ober¬ 
befehl über das ganze Heer mir anvertrauen; dann ist Babylon dein!" — 
Jetzt eilte er nach den Thoren von Babylon und sah sich unterwegs oft 
um, als wäre er ein wirklicher Ueberläufer. Er wurde in die Stadt ge¬ 
lassen und spielte hier seine Rolle ganz meisterhaft. Die getäuschten 
Einwohner übergaben ihm eine Mannschaft; mit dieser hieb er die ersten 
1000 Feinde, später auf gleiche Weise die 2000 und zuletzt die 4000 
nieder. Die ganze Stadt pries sich glücklich über die Aufnahme dieses 
Gastes und machte ihn zum Oberfeldherrn. Da war es ihm ein Leichtes, 
die Perser in die Stadt zu lassen und das ihm anvertraute Heer iu'S 
Verderben zu führen. Darius machte den Zopyrus zum Statthalter von 
Babylon und gab ihm große Geschenke. Er hatte großes Mitleid mit 
ihm. „Lieber wollte ich" — pflegte er zu sagen — „den Zopyrus nicht 
so verstümmelt sehen, als noch zwanzig Städte wie Babylon erobern." 
Als die Ruhe im Innern des Reichs hergestellt war, beschloß Da¬ 
rius, dasselbe auch nach Außen zu erweitern. Er wollte jetzt an der 
Spitze feiner Völker den dritten Erdtheil, unser schönes Europa, unter¬ 
jochen. Zum Glück aber hatte die göttliche Vorsehung an der äußersten 
Grenze von Europa ein zwar kleines, aber muthiges und freiheitslieben¬ 
des Völkchen als feste Schutzwehr gegen die wilden Asiaten hingestellt. 
Das waren die Griechen. 
Hiftiäus und MiltiSdes. 
Der erste Zug, den Darius nach Europa unternahm, war gegen die 
Scythen gerichtet, die zwischen dem Tanais (Don) und dem Jster (der 
Donau) in den Gegenden des heutigen Südrußlands wohnten. Er halte 
ein Heer gerüstet, das 700,000 Mann zählte. Mit diesem ging er über
	        
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