Full text: Die vorchristliche Zeit (Theil 1)

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die Schicksalsvögel erschienen seien: Romulus behauptete, er sei König, 
weil ihm noch einmal so viel Vögel erschienen seien. Doch Remus ver¬ 
spottete den Bruder und sprang über die niedrige Stadtmauer, um sich 
über die armselige Stadt lustig zu machen. Da ergrimmte Romulus und 
schlug seinen Bruder Remus todt. „So fahre Jeder, der nach dir über 
meine Mauer setzt!" — Diesen Fluch sprach Romulus aus, und die 
Stadt wurde nach seinem Namen genannt. 
2. Der erste König. 
Romulus war nun König und Herr der neugegründeten Stadt. Um 
die Zahl seiner Unterthanen zu erfahren, ließ er eine Zählung veranstalte'! 
und es fanden sich 3300 starke wehrhafte Männer, die theils aus feinen 
Gefährten, theils aus eingewanderten Albanern bestanden. Die hausten 
nun dort auf ihrem Hügel, wie in einem wohlverschanzten Lager, und die 
Nachbarn sahen mit Schrecken das kriegslustige Volk, angeführt von einem 
starken kühnen Herrscher. 
Zum Zeichen seiner Königswürde umgab ]tch Romulus mit einer 
Leibwache von 300 Reitern, aus deren Nachkommen sich später ein beson¬ 
derer Stand, der Stand der Ritter, bildete. So oft er öffentlich er¬ 
schien, schritten zwölf Gerichtsdiener, Liktoren genannt, mit Beilen und 
Ruthenbündeln bewaffnet, in stattlicher Reihe vor ihm her, theils um Ord¬ 
nung und Anstand unter dem Volke zu erhalten, theils um die nöthigen 
Strafen auf der Stelle zu vollziehen. Aus den angesehensten und erfah¬ 
rensten Männern wählte er sich einen Rath der Alten (Senatus), der 
anfangs aus hundert Mitgliedern bestand, später aber bedeutend vermehrt 
wurde. Die Senatoren sollten mit dem Könige gemeinschaftlich das Beste 
der Gemeinde berathen, sie sollten die Väter (Patres) des gemeinen Vol¬ 
kes sein. Daher nannte man auch ihre Nachkommen, die einen erblichen 
Adelsstand ausmachten, Patricier, zum Unterschiede von den gemeinen 
Bürgern, die Plebejer genannt wurden. 
Die Stadt theilte Romulus in drei Bezirke, tribus genannt, jede 
Tribus wieder in zehn Kurien, so daß im Ganzen dreißig Kurien waren. 
Nach diesen Kurien mußten sich alle Bürger auf dem Volksplatze (forum) 
versammeln, um über die Angelegenheiten der ganzen Gemeinde Entschlüsse 
zu fassen und zu berathen. 
Um die Zahl seiner Unterthanen zu vermehren, eröffnete Romulus 
eine Freistätte (ein Asyl), wohin jeder verfolgte Unglückliche, aber auch 
jeder verbannte Verbrecher sich retten durfte. Durch dieses Mittel erhielt 
die Stadt einen bedeutenden Zuwachs an Männern. Aber nun fehlte es 
an Frauen. Um diese zu erhalten, schickte er an die benachbarten Völker 
Gesandte und ließ freundlich bitten, sie möchten ihre Töchter den römischen 
Männern zur Ehe geben. Aber die Nachbarn wiesen die Gesandten höh¬ 
nisch zurück, keiner wollte mit den Wildfängen und Räubern etwas zu 
thun haben. 
Grube, Geschichtsbilder. I. \ i
	        
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