Full text: Die vorchristliche Zeit (Theil 1)

3. Raub der Sabinerinnen. 
Nun veranstaltete Romulus ein glänzendes Fest dem Neptun zu Ehren, 
und glänzende Feftspiele sollten dabei gefeiert werden. Das lockte die Be¬ 
wohner der benachbarten Städte herbei, die bei dieser Gelegenheit auch 
einmal die wunderschöne Hügelstadt zu sehen wünschten. Besonders zahl¬ 
reich fanden sich die Sabiner mit ihren Weibern und Töchtern ein. Die 
Römer hatten ihre Hütten festlich ausgeschmückt und nöthigten die Frem- 
den, Alles in Augenschein zu nehmen. Dann begannen die Spiele; aber 
während die Augen Aller auf das Schauspiel gerichtet waren, siehe, da 
stürzten auf ein gegebenes Zeichen die römischen Jünglinge in die Haufen 
der Zuschauer, und jeder riß sich eine Jungfrau heraus, die er auf seinen 
Armen in die Stadt trug. Die bestürzteu Eltern flohen von allen Seiten 
schreiend und wehklagend auseinander. 
Die geraubten Sabinerinnen ließen sich in Nom von ihren Männern 
leicht besänftigen, aber ihre Väter daheim sannen auf blutige Rache. Und 
wären jetzt die Völker alle vereint gegen Nom gezogen, so wäre es um 
den jungen Staat geschehen gewesen. Da sie aber in ihrer Wuth eine 
gemeinschaftliche Rüstung nicht abwarten konnten, so wurden sie, einzeln 
wie sie kamen, vorn Schwerte der Römer blutig zurückgewiesen. 
4. Titus TatiuS. 
Die größte Gefahr für Rom drohte aber von dem kriegerischen Volke 
der Sabiner, die jetzt unter ihrem Könige Titus Tatius wohlgerüstet 
herangezogen. Nach mehreren Gefechten kam es in einem Theile zwischen 
Zwei Hügeln zur Schlacht. Während die beiden Schlachtreihen grimmig 
gegen einander standen, während die Pfeile hinüber und herüber flogen 
und die Männer niederstreckten: stürzten plötzlich die geraubten Sabine¬ 
rinnen mit fliegenden Haaren mitten zwischen die feindlichen Reihen und 
flehten hier zu ihren Männern, dort zu ihren Brüdern und Vätern, sie 
nicht zu Wittwen und Waisen zu machen. 
Dieser Anblick rührte die Heere und ihre Anführer. Es erfolgte eine 
tiefe Stille. Gerührt traten die beiden Könige in die Mitte und schlossen 
Frieden unter der Bedingung, daß beide Staaten vereinigt, die Regierung 
von Romulus und Tatius gemeinschaftlich zu Rom geführt, die Römer 
aber fortan Quir iten genannt werden sollten von der sabinischen Haupt¬ 
stadt Kur es. Durch diesen Frieden wurde die Macht Roms ansehn¬ 
lich vermehrt. Der nahegelegene Hügel Quirinalis wurde noch mit 
in das Gebiet der Stadt gezogen und mit Sabinern besetzt. Doch der 
herrschsüchtige Romulus, der nicht einmal seinen Bruder hatte neben sich 
dulden können, wollte noch weniger mit einem Fremden den Thron thei¬ 
len; nach einigen Jahren räumte er ihn aus dem Wege und regierte 
wieder allein.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.