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nur mit einem Schurz bekleidet, ©eine Hausfrau reichte ihm eiligst die
Toga, damit er würdig die Befehle des Senats entgegennähme. Cincin-
nalus eilte nach Rom auf das Forum. Alle Buden wurden geschloffen,
alle Processe schwiegen, die Aushebung begann, der Soldat zog muthig
dem Feinde entgegen. Die Sabiner hatten sich bereits zurückgezogen, die
Aequer wurden entscheidend geschlagen.
2.
Zum zweiten Mal drohten die Aequer und Sabiner; da verweigerte
das Volk den Kriegsdienst, denn man hatte es wieder mit leeren Ver¬
sprechungen wegen der geschriebenen Gesetze hingehalten. Nun entschlossen
sich doch endlich die Patricier, drei Senatoren nach Griechenland zu sen¬
den, besonders nach Athen, das damals unter Perikies blühete, um dort
die besten Gesetze zu sammeln. Darauf wählte man zehn Patricier (decem-
viri), welche aus den fremden Gesetzen und einheimischen Satzungen eine
Gesetzgebung für den römischen Staat ausarbeiten sollten. Während dieser
Zeit wurde den Zehnmännem die höchste Staatsgewalt übertragen, jedem
Dcccmvir schritten zwölf Liktoren voran. Am Ende des ersten Jahres
waren schon zehn Gesetztafeln fertig, aber sie reichten noch nicht hin; so
wurde das Amt der Zehnmänner auf das zweite Jahr verlängert. Appius
leitete die Wahl aus sich und feine Anhänger; doch kamen diesmal auch
fünf Plebejer hinzu. Nachdem noch zwei Tafeln mit Gesetzen beschrieben
waren, konnte man die Gesetzgebung schließen.
3.
Die Zehnmänner hatten indeß keine Lust, ihr Amt, durch welches ste
die ersten und mächtigsten Herren in Rom geworden waren, sobald wieder
niederzulegen. Ohne sich um die Zustimmung des Volkes und des Se¬
nates zu kümmern, behielten sie sich auch für das dritte Jahr ihr Amt bei.
Ja, Appius Klaudius, das Oberhaupt der Zehnmänner, schien es darauf
angelegt zu haben, sich die Alleinherrschaft zu erringen. Solcher Ueber*
muth empörte Alle, die Patricier sowohl als die Plebejer. Endlich kam
der lange verhaltene Ingrimm durch eine Gräuelthat des Appius zum
Ausbruch. Dieser Tyrann wollte einem Bürger Noms, mit Namen Vir-
gimus, feine Tochter Virginia mit Gewalt entreißen, da das schöne und
fitt'ame Mädchen nichts von den Anträgen des bösen Mannes hören
wollte. Er behauptete frech, Virginia sei die Tochter einer feiner Sklavin¬
nen, also fein Eigenthum; durch seine Diener ließ er sie auf offener Straße
ergreifen und vor ein Gericht schleppen, das sie unter dem Schein des
Rechts ihm zusprechen sollte.
Als der unglückliche Vater sah, daß gegen den Gewaltigen Niemand
ihn schützen konnte, stellte er nur noch die Bitte, seine Tochter etwas
fragen zu dürfen. Er trat mit ihr beiseit, riß von einer Schlächterbude
ein Messer weg und stieß es feiner Tockter in's Herz. Mit dem blutigen
Messer eilte er, wie einst Brutus, durck die Hausen des Volkes und rie;