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"Angstkind" nannte. Trotz feiner Schwächlichkeit erhielt Prinz Wilhelm bereits
von seinem sechsten Lebensjahre an Exerziermeister, die innerhalb zweier Jahre
einen vollständig ausgebildeten Rekruten aus ihm machten. Groß war die Freude
des kleinen Rekruten, als er am Weihnachtsfest eine niedliche Hufarenuuiform
von den Eltern erhielt.
Bald kamen trübe Tage über das Hohenzollernhaus und das preußische
Volk. Die Franzosen hatten Preußen mit Krieg überzogen und dem Könige die
Hälfte feines Landes abgenommen. Die königliche Familie mußte Berlin ver¬
lassen und erst nach Königsberg und dann nach Memel flüchten. Kurz vor der
Abreise uack Memel, am Neujahrsmorgen 1807, überreichte der König dem
Prinzen Wilhelm eine Offiziersuniform mit den Worten: „Da an Deinem Ge¬
burtstage vielleicht keine Gelegenheit fein wird, Dich ordentlich einzukleiden, da
ihr nach Memel gehen sollt, so ernenne ich Dich schon heute zum Offizier; hier
liegt Deine Uniform." Ein Jahr später kehrte der Prinz mit feinen Eltern und
Geschwistern wieder nach Königsberg zurück. Vou hier schrieb die Königin Luise
an ihren Vater: „Unser Sohn Wilhelm wird, wenn mich nicht alles trügt,
gerade wie sein Vater, einfach, bieder und verständig. Auch in feinem Äußern
hat er die meiste Ähnlichkeit mit ihm." Wilhelms Lehrer in Königsberg war
der Direktor Zeller. Wie sehr der Prinz denselben verehrte und liebte, sehen wir
aus einem Brief, den er im Dezember 1809 von Berlin ans an feinen Lehrer
schrieb. Der Brief lautet: „Lieber Vater Zeller! Wie befindest Du Dich? Ich
danke Dir sehr für all7 das Gute, das Du mir erwiesen hast und was ich bei
Dir gehört habe. Ich werde mich bemühen, alles dieses zu befolgen. Behalte
mich in Deinem lieben Andenken und grüße den Herrn Grube, Funck, Kolbe und
das ganze Institut. Adieu, lieber Vater! Vergiß nicht Deinen Sohn Willi."
Im Sommer des folgenden Jahres stand Prinz Wilhelm mit feinem Bruder
Fritz und dem Vater am Sterbelager der geliebten Mutter. Heute noch wird
eilt einfacher Kranz aus Eichenlaub und Rosen gezeigt, den Prinz Wilhelm in
seinem ersten Schmerz um den Verlust der teuren Mutter im Garten unter bitteren
Thränen selbst geflochten und dann auf ihr Sterbelager gelegt hat.
Drei Jahre später, im Frühling 1813, brachen endlich für das Königshaus
und das Preußenvolk nach langen Zeiten der Trübsal wieder frohere Tage an.
Im März wurde den Franzosen der Krieg erklärt, und am 16., 18. und 19. Oktober
wurden sie in der großen Völkerschlacht bei Leipzig von den verbündeten Preußen,
Österreichern und Russen glänzend besiegt. Zu feinem großen Schmerz durfte
damals Prinz Wilhelm den Vater nicht nach dem Kriegsschauplatz begleiten, da
immer noch Rücksicht auf feine schwächliche Gesundheit genommen werden mußte.
Nach der Schlacht bei Leipzig jedoch durfte der Prinz mit ins Feld ziehen, und
im Jahre 1814 beteiligte er sich zum erstenmale persönlich an einer Schlacht in
Frankreich. Während dieser Schlacht bemerkte der König, daß ein Regiment