Full text: [Teil 1 = (Vorstufe)] (Teil 1 = (Vorstufe))

zu machen, so mochte sie am zweiten Tag die Bezahlung 
des Frühbrotes unterlassen haben, weil sie nicht in der Lage 
war den gestern unterschlagenen Betrag zu ersetzen. bsätte 
sie aber heute bezahlt, dann wäre sicher bald eine Auffor¬ 
derung an die Herrschaft gekommen, den einmal nicht bezahlten 
Betrag nicht vergessen zu wollen und sie wäre verraten 
gewesen. Die Hoffnung am 3. Tag oder später aus eigenen 
Mitteln den unterschlagenen Betrag ersetzen zu können einerseits 
und die Furcht vor Entdeckung anderseits mögen die Ver¬ 
anlassung zur weiteren regelmäßigen Unterschlagung gewesen 
sein. — Dann kam ja wohl auch in Frage, wozu sie das 
unterschlagene Geld verwendete. Das konnte ich allerdings 
aus der „Mitteilung" nicht ersehen. Erst im Verlaufe der 
Verhandlung, wozu ich als „sachverständiger" (wofür?) 
geladen war, erfuhr ich, daß ein unreifer Bursch das etwas 
gefallsüchtige Mädchen an sich gelockt hatte und sich des 
öfters von ihm Süßigkeiten hatte kaufen lassen. Also war 
wohl er der geistige Urheber der Unterschlagung. — 
Zhre Dienstherrschaft hatte die Schülerin geschädigt. — 
Nun hatte dieselbe Dienstherrschaft das Mädchen fortgesetzt 
vom Besuch der Eonntagsschule abgehalten. Ergangener 
Vorladung wurde kurzweg nicht Folge geleistet, ebenso wieder¬ 
holter Vorladung zur Echulsitzung. Die ausgesprochenen 
„Verweise und Verwarnungen" blieben erfolglos, verhängte 
Geldstrafen wurden von der Dienstherrschaft wohl bezahlt, 
aber dem Mädchen bezw. deren Eltern aufgerechnet. — 
Offenbar lag doch hier eine grobe j?flichtvergessenheit, ich 
möchte sagen eine Untreue der Herrschaft gegenüber dem 
Dienstmädchen vor. Und mir drängte sich die Annahine 
eines psychologischen Zusammenhangs zwischen der s?flicht- 
vergessenheit des Dienstmädchens einerseits und der Pflicht- 
Vergessenheit der Dienstherrschaft andrerseits aus. ffüer fordert
	        
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