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dingungen jede Stunde einmal eine Teilung vor sich geht, so findet man
durch einfache Rechnung, daß in 24 Stunden von einem Bazillus als Stamm¬
vater 161/2 Millionen Bazillen erzeugt werden können, vorausgesetzt natürlich,
daß keine der Generationen — wie das in Wirklichkeit der Fall ist — zu¬
grunde geht. Aus diesem einfachen Rechenexempel begreift man, wie es
bei gewissen Verletzungen, z. B. beim Abhäuten eines milzbrandkranken
Tieres gelegentlich zu schweren „Blutvergiftungen", bei denen mau in
jedem Blutstropfen Millionen von Milzbrandbazillen findet, kommen kann,
selbst wenn nur wenige Exemplare der Krankheitserreger bei der Infektion
tu das Blut eindrangen. Der Tuberkelbazillus macht auch in bezug
auf seine Vermehrungsfähigkeit eine Ausnahme, er gehört zu den Bak¬
terien, die am langsamsten im Körper wie außerhalb desselben auf künst¬
lichem Nährboden wachsen. So wird beispielsweise in einem Reagensglas
mit Nähragar von den meisten krankmachenden Bakterien in 24 Stunden
die ganze Oberfläche überwuchert; im Gegensatz dazu braucht der Tuberkel¬
bazillus auf einem ebenso guten künstlichen Nährboden, auf erstarrtem
Rinderblutserum, mehrere Monate, bis er zu ähnlichen Bakterienmengen
herangewachsen ist. Zu einer Vermehrung im Blut des Menschen, wie beim
Milzbranderreger, zu einer Blutvergiftung int gewöhnlichen Sinne, kommt
es im allgemeinen beim Tuberkelbazillus überhaupt nicht.
Eine andere Eigenschaft vieler Bakterien ist ihre Beweglichkeit,
die sie vor den Pflanzen, zu denen man sie gewöhnlich rechnet, voraus
haben. Sie sind mit langen peitschenschnurartigen Fortsätzen versehen,
die etttweder einzeln oder büschelartig einem Ende der Bakterienzelle
ansitzen oder aber rings um dieselbe zu 10—20—30—40 angeordnet sind,
so daß der Mikroorganismus das Aussehen eittes Medusenhauptes, von
Schlangen umringelt, gewinnt. Mit Hilfe dieser Fortbewegungsorgane,
der fogenmtntett Geißeln, die sich wie ein Ruder aktiv bewegen, ist der Ba¬
zillus imstmtde, die wunderbarsten und schnellsten Irrfahrten, z. B. in einem
Tropfen Bouillon zu unternehmen, eilt Verkehrsbild mtter dem Mikroskop,
das jeden Bakteriologett immer wieder von tteuem entzückt durch die Ele¬
ganz und Schnelligkeit der Schwimmbewegung. Es erfreuen sich aber tticht
alle Arten der Bakterien dieser Bewegungsfähigkeit, nur verhältnismäßig
wenige siitd dadurch ausgezeichttet wie die Erreger des Typhus und der
Kommabazillus der Cholera. Dagegen sittd eine Reihe von Mikrobett
gerade recht schwerer Infektionskrankheiten tvie diejettigen der Pest, des
Milzbrands, der Diphtherie, der meisten Wundkrankheiten und schließlich
auch derjenige der Tuberkulose gänzlich tntbeweglich. Die Beweglichkeit
ist deshalb tticht ein Zeichett für eine besondere Gefährlichkeit (Virulenz).
Der Tuberkelbazillns unb seine Genossen anderer Stämnte sittd nun