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doch eins von dem anderen kommen. In großer Angst und Todesfurcht
gingen wir hinunter; als wir aber in den Hof traten, fanden wir unseren
Kriegsmann mit der Magd. Das ganze Haus war voll Soldaten und
Pferde. Etliche von den Soldaten wollten stracks auf den Vater los; der
Nürnberger aber nahm sich unser an, sagte, wir wären seine Gefangenen,
und ließ uns nicht antasten. Wir packten hierauf einige wenige gerettete
Trümmer von unserer Habe in einen Korb, den die Mutter trug, legten
zwei Brote darüber und machten uns dann gegen zehn Uhr ans
den Weg.
Wir Kinder gingen paarweise hinter dem Soldaten her; unsere
Eltern, die Nadlerin und unsere Magd, die kleinste Schwester in ihrem
Bettchen auf dem Arme tragend, folgten. Um ungehinderter fortzukommen,
trug der Vater die Muskete unseres Retters und sah in seinem Aufzuge
einem Soldaten nicht so gar unähnlich. So gingen wir durch die Straßeu
und mußten oft in großem Gedränge über ganze Haufen von toten
Bürgern hinwegsteigen. Aus dem Giebel eines Hauses ward vor unsern
Augen ein Bauer herabgeworfen, der mit heißem Wasfer verbrannt war,
gewaltig rauchte, sich auf dem Pflaster herumwälzte und erbärmlich schrie.
In einem auf der Gasse stehenden Braubottiche voll Wasser sahen wir
etliche Frauenzimmer, die ganz entblößt mit dem Kopfe hineingestürzt und
ersäuft waren, aber mit dem halben Leibe und den Beinen heraushingen.
Unser Führer trat endlich in ein Haus und wir folgten ihm. Er müsse,
sagte er, uns Kindern etwas zu essen und zu trinken holen; denn bis
zum Lager sei es sehr weit und wir könnten sonst nicht ausdauern.
Darauf langte er aus dem Rauchfange Würste und Speckseiten herab und
schlug sie in einen türkischen Teppich. Unterdessen aßen wir Kinder von
dem mitgenommenen Brote. Um uns sammelten sich etliche zwanzig kleine
Kinder, die von der Mutter auch Brot verlangten und es erhielten. Der
Soldat lief auch in den Keller, holte einen Eimer Bier herauf und labte
uns mit einem Trnnke. Dann ging's weiter.
Endlich war die Pforte erreicht, durch welche die Kroaten eben ein-
ritten und neben uns alles niederhieben. Wir stiegen den Wall hinunter
und kamen in das Lager, wo der Soldat uns in sein Zelt führte. Die
Frau desselben, auch aus Nürnberg, empfing uns nicht sehr freundlich.
„Was, den Teufel bringst du?" sagte sie zu ihrem Manne; „du bringst
die Hütte voll Kinder! Ich dachte, du brächtest Beute!" Er beruhigte
sie mit den Worten, er habe die Büble müssen herausführen; Gott werde
ihm schon Beute bescheren. Und damit warf er den Teppich mit den
Speckseiten ab. Wir setzten uns, sehr erfreut, nun ein wenig Sicherheit
und Schutz zu haben. Die Frau, welche für die Offiziere des Regiments