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da aber auch bis zu 30 % voin Wert des Hofes. Die Hinterlassenschaft von 
Hörigen zogen manche Herrschaften, z. B. die Aebte von Kempten, auch 
wenn erbberechtigte Verwandte vorhanden waren, an sich. Der Gewinn 
teurer Zeiten wurde dem Bauern durch Festsetzung eines Höchstpreises viel¬ 
fach entzogen; die Binge der grossen Handelsgesellschaften (s. S. 198), die 
den „Fürkauf“ betrieben, drückten die Preise der landwirtschaftlichen Erzeug¬ 
nisse herab. — Husitischen Einfluss zeigt die 1438 von einem Weltgeistlichen 
verfasste „Reformation des Kaisers Sigmund“, die eine Erhebung aller „edeln, 
freien Christen“ erstrebt, zur Aufrichtung eines goldenen Zeitalters allgemeiner 
Freiheit und Gleichheit. Dieses Buch übte grossen Einfluss aus unmittelbar 
vor dem „grossen Bauernkrieg“. Der Pauker von Niklashausen, der von der 
Jungfrau Maria inspiriert sein wollte, predigte mit hinreissender Beredsam¬ 
keit kommunistische Lehren und eine radikale Umwälzung. Unter den Liedern 
revolutionären Inhalts, die er den Wallfahrern mitteilte, lautet eines: 
Wir wollen Gott im Himmel klagen, 
Kyrie eleison 
Dass wir die Pfaffen nit sollen zu Tode schlagen 
Kyrie eleison. 
Er verkündete, dass, wer 30 Priester töte, Gotteslohn ernten werde. 
Der Bundschuh von 1493 wollte ein Jubeljahr einführen, Zölle und Umgeld 
(ursprünglich: ungelt) abschaffen, alle Schuldbriefe vernichten und Selbstver¬ 
waltung der Gemeinden schaffen. Wie der Pauker, verwarf auch diese Ver¬ 
schwörung die Ohrenbeichte. 1492 erhoben sich friesische und holländische 
Bauern gegen neue Steuerforderungen Maximilians als „Käsebroter“. Das 
bäuerliche Selbstgefühl wurde im Süden gehoben durch das aus bäuerlichen 
Kreisen sich rekrutierende Landsknechttum. Freilich nahm später die Masse 
der Landsknechte eine adelsfreundliche Haltung ein. 
§ 79. Kultur. Kirchliche Zustände und religiöse Entwickelung 
Deutschlands. 
Universitäten wurden gegründet in Prag 1348 (s. § 59), Wien 1365, 
Heidelberg 1385, Köln 1389, Erfurt 1392, Leipzig 1409 (s. § 62), Rostock 
1419, Löwen 1426, Freiburg und Greifswald 1456, Basel 1460, Ingolstadt 
1472, Tübingen 1477. Da die Kirche für sich allein die Befugnis beanspruchte, 
zu lehren und akademische Grade zu verteilen, war zur Gründung einer Uni¬ 
versität eine päpstliche Bulle nötig. Auch waren die meisten Lehrstellen mit 
kirchlichen Pfründen verbunden. Wie vielfach an einem fähigen und pflicht¬ 
getreuen Lehrpersonal, so fehlte es den Universitäten lange beinahe durchaus 
an produktivem Schaffen. Die Scholastik, die, überwiegend in ihrer nominalisti- 
schen Bichtung, seit 1350 in Deutschland Eingang gefunden hatte, beherrschte 
sie mit ihrer Vernachlässigung der Quellen, mit wenigen Ausnahmen, bis zum Ende 
des XV. Jahrhunderts. Der von Italien nach und nach eindringende Humanis¬ 
mus gewann früher Boden in den Mittelschulen (Lateinschulen), 
zuerst in denen der Brüder von gemeinsamen Leben (Alexander Hegius Leiter 
der Schule von Deventer 1475—1498), dann allgemein in den Bats- und Stadt¬ 
schulen *), als in den Artistenfakultäten der Universitäten. Der deutsche Hu¬ 
manismus nahm frühe bei manchen seiner Vertreter, wenn auch in etwas 
unklarer Weise, eine pädagogische und dem Christentum innerlich befreundete, 
r) In den Städten (vereinzelt auch in Dörfern) gab es auch schon eine 
Art Volksschulen, „Schreib-, Rechen-, Deutsche Schulenentweder als Vor¬ 
stufe der Lateinschule oder auch selbständig (dann vielfach aus „ Winkel¬ 
schulen“ hervorgegangen und zum Teil Mädchenschulen). 
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