— 251 —
da aber auch bis zu 30 % voin Wert des Hofes. Die Hinterlassenschaft von
Hörigen zogen manche Herrschaften, z. B. die Aebte von Kempten, auch
wenn erbberechtigte Verwandte vorhanden waren, an sich. Der Gewinn
teurer Zeiten wurde dem Bauern durch Festsetzung eines Höchstpreises viel¬
fach entzogen; die Binge der grossen Handelsgesellschaften (s. S. 198), die
den „Fürkauf“ betrieben, drückten die Preise der landwirtschaftlichen Erzeug¬
nisse herab. — Husitischen Einfluss zeigt die 1438 von einem Weltgeistlichen
verfasste „Reformation des Kaisers Sigmund“, die eine Erhebung aller „edeln,
freien Christen“ erstrebt, zur Aufrichtung eines goldenen Zeitalters allgemeiner
Freiheit und Gleichheit. Dieses Buch übte grossen Einfluss aus unmittelbar
vor dem „grossen Bauernkrieg“. Der Pauker von Niklashausen, der von der
Jungfrau Maria inspiriert sein wollte, predigte mit hinreissender Beredsam¬
keit kommunistische Lehren und eine radikale Umwälzung. Unter den Liedern
revolutionären Inhalts, die er den Wallfahrern mitteilte, lautet eines:
Wir wollen Gott im Himmel klagen,
Kyrie eleison
Dass wir die Pfaffen nit sollen zu Tode schlagen
Kyrie eleison.
Er verkündete, dass, wer 30 Priester töte, Gotteslohn ernten werde.
Der Bundschuh von 1493 wollte ein Jubeljahr einführen, Zölle und Umgeld
(ursprünglich: ungelt) abschaffen, alle Schuldbriefe vernichten und Selbstver¬
waltung der Gemeinden schaffen. Wie der Pauker, verwarf auch diese Ver¬
schwörung die Ohrenbeichte. 1492 erhoben sich friesische und holländische
Bauern gegen neue Steuerforderungen Maximilians als „Käsebroter“. Das
bäuerliche Selbstgefühl wurde im Süden gehoben durch das aus bäuerlichen
Kreisen sich rekrutierende Landsknechttum. Freilich nahm später die Masse
der Landsknechte eine adelsfreundliche Haltung ein.
§ 79. Kultur. Kirchliche Zustände und religiöse Entwickelung
Deutschlands.
Universitäten wurden gegründet in Prag 1348 (s. § 59), Wien 1365,
Heidelberg 1385, Köln 1389, Erfurt 1392, Leipzig 1409 (s. § 62), Rostock
1419, Löwen 1426, Freiburg und Greifswald 1456, Basel 1460, Ingolstadt
1472, Tübingen 1477. Da die Kirche für sich allein die Befugnis beanspruchte,
zu lehren und akademische Grade zu verteilen, war zur Gründung einer Uni¬
versität eine päpstliche Bulle nötig. Auch waren die meisten Lehrstellen mit
kirchlichen Pfründen verbunden. Wie vielfach an einem fähigen und pflicht¬
getreuen Lehrpersonal, so fehlte es den Universitäten lange beinahe durchaus
an produktivem Schaffen. Die Scholastik, die, überwiegend in ihrer nominalisti-
schen Bichtung, seit 1350 in Deutschland Eingang gefunden hatte, beherrschte
sie mit ihrer Vernachlässigung der Quellen, mit wenigen Ausnahmen, bis zum Ende
des XV. Jahrhunderts. Der von Italien nach und nach eindringende Humanis¬
mus gewann früher Boden in den Mittelschulen (Lateinschulen),
zuerst in denen der Brüder von gemeinsamen Leben (Alexander Hegius Leiter
der Schule von Deventer 1475—1498), dann allgemein in den Bats- und Stadt¬
schulen *), als in den Artistenfakultäten der Universitäten. Der deutsche Hu¬
manismus nahm frühe bei manchen seiner Vertreter, wenn auch in etwas
unklarer Weise, eine pädagogische und dem Christentum innerlich befreundete,
r) In den Städten (vereinzelt auch in Dörfern) gab es auch schon eine
Art Volksschulen, „Schreib-, Rechen-, Deutsche Schulenentweder als Vor¬
stufe der Lateinschule oder auch selbständig (dann vielfach aus „ Winkel¬
schulen“ hervorgegangen und zum Teil Mädchenschulen).
Sei-