Full text: Von der deutschen Vorzeit bis zur Reformation (Teil 1)

Erfindungen und Entdeckungen im Mittelalter. 113 
großer Bestürzung, daß die Magnetnadel von ihrer gewöhnlichen Richtung 
abwich. Die Mannschaft geriet in Besorgnis, man möchte den Heimweg nicht 
wiederfinden; ja, man drohte wohl auch dem Führer. Zum Glück wich der 
Wind etwas nach Südost, und die Mannschaft beruhigte sich wieder. Anfang 
Oktober füllte sich das Meer mit Seepflanzen. Bald wurden die Massen 
der Seepflanzen so dicht, daß es den Schiffen unmöglich fchien, sich einen Weg 
durch sie zu bahnen. Jeden Augenblick glaubte man, mitten im Ozean im Morast 
steckenzubleiben und eines elenden Todes zu sterben. Das brachte die auf¬ 
geregten Seeleute in Furcht. Die Kühnsten rotteten sich zusammen und be¬ 
schlossen, den Kapitän ins Meer zu stürzen und heimzukehren. 
Überschrift? 
Zusammenfassung: Die gefahrvolle Ausreife. 
2. Doch den unerschütterlichen Kolumbus konntet! keinerlei Drohungen 
von seinem Vorhaben abbringen. Tag und Nacht hielt er auf dem Hinterteil 
seines Schiffes Ausschau, gönnte sich nur wenige Stunden Schlaf und zeich¬ 
nete jede Beobachtung auf. Endlich entdeckte man deutliche, unzweifelhafte 
Zeichen von Laud; man fischte frische Beeren, ein Rohr, ein kleines Brett 
und einen künstlich geschnitten Stab aus dem Wasser. Au einem frühen 
Oktobermorgen sah ein Matrose einen flachen, sandigen Strand in der Ferne 
leuchten. Ein Kanonenschuß verkündigte die glückliche Entdeckung, und als es 
Tag wurde, stand die ganze Mannschaft m neugieriger Spannung auf dem 
Verdeck. Eine anmutige, grüne Jnfel lag vor ihnen. Entzückt und mit 
Freudentränen im Auge stimmte Kolumbus den Lobgesang an, und alle Ge¬ 
fährten stimmten ein. Jubelnd brachte man dem noch vor kurzem geschmähten 
Helden seine Huldigung dar. Aus den Wäldern kam eine große Zahl von 
Menschen, ganz nackt, von kupferroter Hautfarbe, das Haar dick und schwarz 
in Locken auf den Nacken herabfallend. Voll Staunen sahen sie die weißen 
Männer der Küste sich nähern, erschrocken ergriffen sie die Flucht. Kolumbus, 
mit dem königlichen Banner in der Hand, zog fein Schwert und nahm, 
nachdem er Gott auf den Knien mit Tränen gedankt, feierlich im Namen der 
spanischen Herrschaft Besitz von der Insel. Er nannte sie San Salvador 
und glaubte fest, er sei in Indien angelangt. 
(Besprechung des Bildes: „Kolumbus landet in Amerika" von Lohmeyer.) 
Überschrift: 
Zusammenfassung: Die glückliche Landung. 
3. Nach schweren Stürmen und mancherlei Kämpfen langte Kolumbus 
wieder in Lissabon an. Er wurde mit großem Jubel empfangen und von 
der Königin von Spanien hochgeehrt. Er unternahm noch zwei Fahrten nach 
dem neuen Lande und entdeckte die karibischen Inseln, die Inseln Trinidad, 
Portoriko, Jamaika und einige der kleinen Antillen. Ein Leichtes wäre es 
ihm gewesen, jetzt das Vorhandensein eines großen Festlandes festzustellen; 
doch er legte mehr Wert auf die Perlen der Insel Margarita, als auf die 
Entdeckung des festen Landes. Unterdessen hatten ihn seine Neider in 
Spanien verklagt. Man beschuldigte ihn der Grausamkeit und der Will¬ 
kürherrschaft. Einmal nahm man ihn samt zwei seiner Brüder gefangen, 
legte ihn in Ketten und brachte ihn so nach Spanien. Wohl gab man 
ihm seine Freiheit wieder, aber der König und viele Spanier glaubten 
doch den Verleumdern mehr und betrachteten Kolumbus fortan mit 
Ratgeber II. Reiniger, Geschichte, TeU 1. 8
	        
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