Aus der Zeit der Völkerwanderung. ^7
zog er mit mehr als einer halben Million Krieger weiter nach Westen und unter¬
warf sich alle germanischen Völker bis zum Rheine hin. Wer sich ihm wider¬
setzen wollte, den vernichtete er; mit Milde und Freundlichkeit behandelte er
diejenigen, welche seine Herrschaft anerkannten. Trümmerhaufen, rauchende
Dörfer und zerstückelte Menschenleiber kennzeichneten seinen Weg. Alle Völker
Europas zitterten vor dem Gewaltigen.
Wie kam es, daß s i ch ein Germanen stamm nach dem
andern seiner Herrschaft beugen mußte?
Die Hunnen waren diegefürchtetsten Krieger der damaligen Zeit. Ein Römer
schrieb von ihnen: Sie stürzen sich auf alles, was ihnen in den Weg tritt. Stets
beginnen sie den Angriff, selten erwarten sie ihn; aber immer erheben die Haufen
beim Zusammenstoß ein furchtbares Schlachtgeschrei. Von außerordentlicher
Gewandtheit und Schnelligkeit, zerstreuen sie sich plötzlich im Kampfe und jagen
zurück, um sich zu einem neuen Anlauf zu sammeln und dann unter den Gegnern
unerwartet ein furchtbares Blutbad anzurichten. Eine Verfchanzurtg greifen sie
nicht an, ein festes Lager plündern sie nicht. Zum Belagern fehlt ihnen alle
Ausdauer. Nichts aber gleicht der Gewandtheit, mit der sie im Kampfe aus der
Ferne den Pfeil, der zwar nur in einen spitzen Knochen ausläuft, aber mit großer
Geschicklichkeit ausgearbeitet ist, abschießen. Im Handgemenge führen sie das
Schwert mit rücksichtsloser Verwegenheit. Während der Feind sich gegen ihre
Schwerthiebe wehrt, wissen sie ihm mit der linken Hand eine Fangleine über¬
zuwerfen. Ist er gefangen, dann vermag Reiter wie Fußgänger nicht mehr
Widerstand zu leisten. (Ammianus Marcellinus).*)
Als Attila die deutschen Stämme bis zum Rheine niedergeworfen und die
alten Römerstädte am Rhein zerstört hatte, rüstete er sich zum Vormarsch
nach Gallien hinein.
2. Ob bie Westgoten und Römer bie drohende Gefahr
erkannten?
O b e s ihnen gelang, dem Länderverwüster Still¬
stand zu gebieten?
Attila drang mit seinen wilden Scharen bis an die Loire vor. Hier traten
ihm die verbündeten Germanen und Römer entgegen. Der gewaltige Kamps,
der nun angefochten wurde, wird die Schlacht auf den katalanischen Feldern
genannt. Wild stürmten die Hunnen gegen die Römer und Westgoten an. Aber
auch auf deren Seite wurde heldenmütig gekämpft. In dem Schlachtgewühl
fand der Westgotenkönig Theodorich feinen Tod. Unter den Hufen der über ihn
hinwegrasenden Rosse seiner Goten hauchte der Tapfere fein Leben aus. Rache¬
schnaubend warfen sich jetzt die Westgoten aus die Hunnen. Dem furchtbaren
Anprall vermochten diese nicht standzuhalten. Attila selbst geriet in Lebens¬
gefahr. Schleunigst zog er sich mit den Seinen hinter seine Wagenburg zurück.
Erst die Nacht machte dem wütenden Kampfe ein Ende. Gegen 160 000 Leichen
bedeckten das Schlachtfeld. Attila ging wutschnaubend wie ein Löwe durchs Lager
seiner Hunnen. Er ließ aus den Sätteln der Rosse einen Scheiterhaufen errichten,
auf dem er sich, wenn die Gegner die Verschanzung durchbrechen würden, selbst
den Tod geben wollte. Aber diese wagten keinen neuen Angriff. Als die West¬
goten ihren toten König in ein Grab gebettet hatten, verließen sie das Schlacht¬
feld. Sobald das Attila merkte, entwich er nach Osten und erreichte glücklich
die Dvnautiefebene. (Nach Jordanis.)**)
*) Fritzsche u. Hase, Lesebuch f. d. Geschichtsunterricht. S. 14.
**) Ebenda. S. 15.