Die Reformation.
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Karl V., Beherrscher eines Reiches, in betn die Sonne nicht unterging,
erstrebte eine unumschränkte Gewalt über Staat und Kirche in allen Ländern
seines Weltreichs; er wollte ein neuer Karl der Große werden. Wir bewun¬
dern seinen beharrlichen Willen, mit welchem er den Plan durchzuführen suchte.
I. Das vollständige Mißlingen desselben aber hatte folgende Gründe:
1. Die ungeheure Ländermasse war zu groß, die Verkehrs¬
mittel der damaligen Zeit waren zu dürftig, so daß eine wirklich einheitliche
Leitung des Ganzen vollkommen unmöglich war.
2. Sein Weltherrschaftsplan wurde fortgesetzt von Angriffen des Auslands
bedroht:
a) Frankreich kämpfte dagegen an; es war auf die große Habsburgische
Macht eifersüchtig, und es wollte sich von einem solchen mächtigen Gebieter im
Norden, Osten und Süden nicht einschließen lassen.
b) Die Türken verfolgten gleichfalls das Ziel der Errichtung eines
großen türkischen Weltreichs in Europa und gefährdeten fortgesetzt die babs-
burgische Machtstellung in Ungarn.
^ o) In Deutschland stieß Kaiser Karl auf den Widerstand der
Fürst enmacht, welche eine starke unumschränkte kaiserliche Obergewalt
nicht dulden wollte — und aus den von Luther entfachten neuen G e ist
der christlichen Freiheit.
II. In zwei großen Abschnitten verlief der Kampf des Kaisers
um seinen Weltherrschaftsplan: Bis zum Beginn des Schmalkaldischen Krieges
stand der Weltkampf gegen Frankreich und dieTürken im
Vordergründe. Als es abgeschlossen worden war, wandte sich Karl V den
Dingen in Deutschland zu. Jetzt galt es, die Fürstenmacht und
kt e Reformation niederzuwerfen; denn beides waren gefährliche
Hindernisse für Kaiser Karls Hauptziel. Er glaubte, daß die unumschränkte
kaiserliche Weltherrschaft nur gewahrt werden könnte, wenn auch die Kirche
ihre ungeteilte Einheit behielte. Das war der Hauptgrund für seine Stellung
zur Reformation.
Er^ kämpfte für die Einheit der Kirche, weil durch
den Protestantismus die Selbständigkeit der Fürsten
bedeutend g e jtä r k t w u r d e. Denn diese wurden in den evange-
Itschen Ländern oberste Bischöfe der Landeskirchen, sorgten für Kirchen und
Schulen, zogen Klöster und Stifter ein und verwandelten sie in Kranken- und
Armenhäuser. _ Sie hatten also die oberste weltliche und kirchliche Gewalt
und ihre fürstliche Selbständigkeit wuchs dadurch bedeutend.
Er kämpfte gegen die Reformation, weil die Evan¬
gelischen bei den selbständigen Landesherren eine
starte Stütze fanden.
Fassen wir zusammen! Die Hindernisse, welche sich den
Weltherrschaftsplänen Kaiser Karls entgegengestell¬
ten, waren:
das eifersüchtige Ausland,
das eroberungssüchtige Ausland,
die deutsche Fürstenmacht,
der neue G e i st.
5‘ ^r5rvV - * 0 0 ro a r das Schicksal der Evangelischen,
or 1 ^fchlufj! des ersten Reichstags zu Speyer 1526 war der
Ausbreitung der Reformation günstig: „Jeder Reichsstand kann in Religions-