Full text: Von der deutschen Urzeit bis zur Reformation (Teil 1)

Die Reformation. 
überaus anmutig und lieblich." Oftmals hielt er nach scharfem Tadel inne und 
sagte: „Frommer Mann, nimm dich's nicht an!" Damals trat in der Schweiz 
der Ablaßhändler Samson auf. Zwingli eiferte gegen den Mißbrauch des Ab¬ 
lasses und erreichte, daß der Rat von Zürich dem Ablaßprediger das öffentliche 
Auftreten in der Stadt untersagte. Zwinglis Predigten hatten einen solchen 
Erfolg, daß der Rat alle Prediger der Stadt aufforderte, dem Vorbilde Zwinglis 
zu folgen und nur das zu verkündigen, was der heiligen Schrift entspreche. Im 
Jahre 1523 kam es zum offenen Bruch mit dem Konstanzer Bischof. Zwingli 
hatte (1522) eine Fastenpredigt gehalten und erklärt, daß das Verbot der Kirche, 
in der Fastenzeit Fleisch zu essen, in der Bibel nicht begründet sei. Es hatten 
nämlich mehrere Leute die Speisegebote übertreten, und Zwingli hatte die Verant¬ 
wortung dafür auf sich genommen. Der Rat der Stadt ließ ihn unbehelligt, aber 
das Volk wurde doch ermahnt, in Zukunft die Fastengebote zu halten. 9hm bat 
Zwingli brieflich deu Bischof von Konstanz, zu dessen Amtsbezirk Zürich gehörte, 
er möge die notwendigsten Verbesserungen des kirchlichen Lebens durchzu¬ 
führen gestatten; Zwingli bat um die Erlaubnis der freien Predigt des Evange¬ 
liums und um die Aufhebung des Verbots der Priesterehe. Der Bischof ging 
darauf nicht ein. Da veranstaltete der Rat von Zürich aus Zwinglis Bitte im Jahre 
1523 im Rathause ein großes Religionsgespräch. Es wurde in Gegenwart aller 
Pfarrer Zürichs und der Abgesandten des Bischofs von Konstanz abgehalten. 
Zwingli hatte für die Verhandlungen 67 Sätze aufgestellt, die in den Hanpt- 
gedanken mit Luthers Thesen übereinstimmten. Nachdem der Bürgermeister 
die Sitzung eröffnet hatte, erklärte der Führer der bischöflichen Abgeordneten, 
daß hier nicht der Ort sei, über Kircheugebräuche zu streiten; darüber könne nur 
auf einer allgemeinen Kirchenversammlung verhandelt werden. Zwingli war 
anderer Meinung; er bat den bischöflichen Gesandten nachzuweisen, ob die 
Speisegebote und einige andere kirchliche Gebräuche in der Schrift gefordert 
würden. Er erhielt feine Antwort und wies nun in längerer Ausführung nach, 
daß die kirchlichen Fastengebote nicht in der Bibel begründet seien. In einem 
zweiten Religionsgespräch, das in demselben Jahre stattfand, wurde über 
die Bilder in den Kirchen nnd über die Messe verhandelt. Die Mehrzahl der 
anwesenden Geistlichen sagte: Da von diesen in der Bibel nichts gefordert 
sei, könnte man sie getrost abschaffen; es war aber ausdrücklich betont worden, 
daß „dabei die Gefühle der am Alter Hangenden nicht verletzt werden sollten." 
Nun begann Zwingli mit Einwilligung des Stadtrats und mit Hilfe einiger 
Stadtpfarrer die Einführung einer neuen Kirchenordnung. Die Klöster wurden 
aufgehoben und in Kranken- und Armenhäuser verwandelt. Die Priesterehe 
wurde gestattet; Zwingli selbst heiratete 1524. Aus allen Stadt- und Land¬ 
kirchen wurden in aller Stille die hölzernen und steinernen, gemalten und ge¬ 
hauenen Bilder entfernt.1) Auch die Messe wurde abgeschafft und Ostern 1525 
das heilige Abendmahl zum erstenmale in ursprünglicher Einfachheit gefeiert. 
Im Mittelpunkt des Gottesdienstes standen von nun an Gebet, Schristver- 
legung und Predigt. Später (gegen Ende des 16. Jahrhunderts) erst wurde 
der Gemeindegesang eingesührt. Nach dem Vorbilde der Stadt Zürich wurde 
auch in andern Städten und deren Land orten das Kirchenwesen umgestaltet, 
und bald bekannte sich die größere Hälfte der Schweiz zur Lehre Zwinglis, 
welche später die reformierte genannt wurde. Es ging dabei nicht ohne Unruhen 
1) Das Religionsgespräch über die Bilderverehrung 1524 war durch das gewalt¬ 
tätige Vorgehen einzelner Männer veranlaßt worden, die einige Heiligenbilder von den 
Wänden rissen, zertrümmerten und dadurch Unruhen erregten.
	        
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