Full text: Thüringische Sagen und Nibelungen

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wagen. Wohl mirt, daß ich der Herrschaft Siegfrieds ein Ende ge— 
macht habe.“ 
„Ihr mögt euch leicht rühmen,“ entgegnete Siegfried; hätte ich 
euern Mordsinn gekannt, so hätte ich mich schon vor euch schützen 
wollen. Mich dauert nichts auf Erden, als Kriemhild, mein liebes 
Weib. Und auch für meinen Sohn ist es traurig, daß man von ihm 
sagen wird: Seine Verwandten haben jemand meuchlerisch ermordet. 
Willst du aber, König Gunther, noch an jemand auf dieser Welt Treue 
beweisen, so laß dir meine Gattin befohlen sein. Bedenke, daß sie 
deine Schwester ist, und stehe ihr immer bei, wie es Fürstensitte ge⸗ 
bietet Vergeblich harren lange auf meine Rückkehr mein Vater und 
meine Mannen. An einem lieben Freund ist niemals übler gehandelt 
worden.“ 
Noch kurze Zeit wand der Held sich in Schmerzen; dann lag er 
ruhig und still. — Siegfried war tot. 
VI. Rriemhildens Trauer. 
19. Wie Siegfried beklagt und begrabeun wurde. 
Als die Ritter sahen, daß Siegfried tot war, legten sie ihn auf 
seinen Schild und beratschlagten, wie sie die Mordthat verheimlichen 
wollten. Etliche rieten, man solle sagen, Siegfried sei auf der Jagd 
allein geritten und von Räubern im Walde erschlagen worden. 
Aber Hagen sprach: „Ich will ihn selbst nach Worms bringen; 
mich soll es wenig kümmern, wenn Kriemhild es erfährt, daß ich ihn 
erschlagen habe. Sie hat Brunhild so schwer gekränkt, mag sie nun 
weinen, so viel sie will.“ 
In der Nacht kamen die Ritter in Worms an, und der grausame 
Hagen ließ den Toten vor Kriemhildens Kemenate legen, dami sie ihn 
am Morgen, wenn sie zur Messe ging, finden möge. 
Es dämmerte erst, als die Glocken läuteten. Da weckte Kriemhild 
ihre Frauen, kleidete sich an und machte sich auf den Weg zum Münster. 
Voran ging ein Kümmerer mit der Fackel. Als er vor die Thür trat, 
fiel der Schein auf die Leiche. Erschrocken fuhr er zurück und sprach: 
„Herrin, steht still! Vor der Thür lieat ein erschlagener Ritter.“ 
„Weh mir!“ schrie Kriemhild und sank ohnmächtig zu Boden. 
Als sie wieder zur Besinnung kam, wollten ihre Frauen sie irösten und 
sagten, der Erschlagene sei ein Fremder. Aber jammernd sprach Kriem⸗ 
hild: „Ihr täuscht mich nicht. Es ist Siegfried, mein geliebter Mann!
	        
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