Metadata: Der Feldzug in Rußland 1812 und die Erhebung des preußischen Volkes (H. 71)

12. Der Rückzug der französischen Armee 13 
hinüber; denn mit Ordnung geschah schon längst nichts mehr in der fran¬ 
zösischen Armee, und schon damals fanden viele im Wasser ihr Grab; doch 
als die russischen Heere unaufhaltsam vordrangen und der auf allen 
Punkten geworfene Heind in wilder flucht der Brücke zustürzte, da er¬ 
reichte Verwirrung und Schrecken bald den Gipfel. Artillerie, Bagage und 
Kavallerie und Infanterie, alles wollte zuerst hinüber, der Stärkere 
warf den Schwächeren, der seine flucht aufhielt, ins Wasser oder schlug 
ihn zu Boden, gleichviel ob Offizier oder nicht, viele Hunderte wurden 
von den Kationen gerädert, viele suchten den kurzen Raum zu durch¬ 
schwimmen und erstarrten, viele versuchten über die hin und her befind¬ 
liche Eisdecke zu gehen und versanken, überall Geschrei nach Hilfe und 
nirgends Rettung, als endlich die russischen Batterien die Brücke und 
beide Ufer zu beschießen anfingen, hatte der Übergang ein (Ende; eine 
ganze Division von 7500 Mann vorn Victorschen Corps nebst 5 Gene¬ 
ralen hatte sich früher schon mit Capitulation ergeben, an der Brücke 
selbst streckten mehrere Tausend das Gewehr... und eine Menge Ka¬ 
nonen und Bagage blieben verlassen auf dem linken Ufer zurück . . -1) 
Ungefähr 40 000 Mann mit einer noch ziemlich bedeutenden Ar¬ 
tillerie waren über die Beresina gekommen, aber in welchem traurigen 
Zustande waren diese Truppen. (Ein neuer heftiger 5roft 9^b ihnen völ¬ 
lig den Rest. Alles warf jetzt beinah die Waffen weg, die meisten hatten 
weder Schuhe noch Stiefel, sondern Decken, Tornister oder alte hüte um 
die Füße gebunden. Jeder hatte das erste Beste, was er gefunden, sich 
um Kopf und Schultern gehangen, um eine hülle mehr zu haben gegen 
die Kälte; alte Säcke, zerrissene Strohmatten, frisch abgezogene häute; 
glücklich, wer irgendwo ein Stückchen Pelz erobert hatte; mit unterge¬ 
schlagenen Armen und tief verhüllten Gesichtern zogen Offiziere und Ge¬ 
meine in dumpfer Betäubung neben einander her, die Garden unter¬ 
schieden sich in nichts mehr von den Übrigen, sie waren wie diese zer¬ 
lumpt, verhungert und ohne Waffen. Alle Gegenwehr hatte aufgehört, 
der bloße Ruf „Kosak!" brachte ganze Kolonnen in kurzen Trab, und 
mehrere hundert wurden oft von wenig Kosaken zu (Befangenen ge¬ 
macht. Der weg, den die Armee zog, füllte sich mit Leichen, und jedes 
Bivouak glich am andern Morgen einem Schlachtfelde. So wie einer vor 
(Ermattung hinstürzte, fielen die nächsten über ihn her und zogen ihn, 
noch ehe er tot war, nackt aus, um sich mit seinen Lumpen zu behängen; 
1) Dgl. die erschütternde Darstellung des Überganges über die Beresina 
bei horst Kohl, Der Feldzug von 1812, S. 173 ff. (Stehe (Quellensammlung I, 13, 
Nr. 14.) Ferner v. Loßberg, Briefe in die Heimat, 1844, S. 278—290, (Ehr. 
Meyer, Der Feldzug nach Rußland, 1912, S. 64f. (aus dem Tagebuch des württem- 
bergifchen Leutnants v. Martens), fluch t>. Baumbach, Persönliche Erlebnisse im 
Feldzug gegen Rußland 1812 (Deutsche Rundschau, Dezember 1912, S. 432 f.) 
bietet interessante Einzelheiten.
	        
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