Full text: Bilder aus der Geschichte des Reußischen Landes und Fürstenhauses

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vielen Orten neue Schulen und stellte tüchtige Lehrer an. Vor allem 
gründete er in Gera eine Gelehrtenschule, das Gymnasium 
illustre, in Welchem die künftigen Pfarrer, Beamten und Ärzte aus¬ 
gebildet werden sollten, und erbaute ein geräumiges Schulgebäude, 
in welchem Schulsäle und Wohnungen für Lehrer und Schüler sich 
befanden. Diese Schule stiftete viel Segen und wurde weithin berühmt. 
Auch den Wohlstand des Landes suchte er zu heben und för¬ 
derte darum Handwerk und Gewerbe. In Gera wie in Greiz 
und anderen Städten des Vogtlandes blühte schon im 15. Jahrhun¬ 
dert die Tuchfabrikation. Unter Heinrich Posthumus aber wurde ein 
neuer Zweig der Industrie eingeführt, welcher bis dahin im nörd¬ 
lichen Deutschland ganz unbekannt war, die Verfertigung der schaf- 
wollenen Zeuge oder Merinos. Als gegen Ende des 16. Jahr- 
hu oerts die Protestanten in den Niederlanden verfolgt wurden, wan¬ 
derten viele fleißige Gewerbtreibende nach Deutschland aus. So kam 
auch ein thätiger und geschickter Bürger von Dortrocht, Johann 
Nikolaus de Smit, ins Vogtland und ließ sich in Gera nieder. 
Er begann hier die Merinoweberei und Schönfärberei zu be¬ 
treiben. Zwar wurde er von der Tuchmacherinnung aus Neid heftig 
angefochten, aber Heinrich Posthumus gewährte ihm seinen Schutz und 
erteilte der von ihm gestifteten Zeugmacherinnung 1613 beson¬ 
dere Gerechtsame. So wurde die Verfertigung wollener Kleiderstoffe 
im Vogtland heimisch, welche durch mehr als zwei Jahrhunderte hin 
Tausenden ihr Brot gegeben und in der neuesten Zeit durch An¬ 
wendung der Maschinen einen ungeheuren Aufschwung genommen hat. 
Freilich folgte zunächst die entsetzliche Zeit des dreißigjährigen 
Krieges, welche den Wohlstand des Landes in schrecklichem Maße 
schädigte. Aber so lange Heinrich Posthumus lebte, suchte er auf alle 
Weise die Kriegsnot von seinen Unterthanen fernzuhalten. Wieder¬ 
holt sandte er seinen Sohn Heinrich II. an den Kaiser und erlangte 
durch seine Bitten Milderung der Durchzüge und (Einquartierungen. 
Freilich konnte er nicht hindern, daß in seinen letzten Lebensjahren 
besonders die oberen Herrschaften durch Brandschatzung und Plün¬ 
derung heimgesucht wurden. 
Er war übrigens nicht bloß die Wohlfahrt seines eigenen Landes, 
sondern auch die des ganzen Reußenlandes zu fördern bedacht. 
Er erhielt dazu mehr Gelegenheit, als er zuerst Vormund der beiden 
minderjährigen Brüder von Greiz, Heinrichs IV. und Heinrichs V., 
und weiterhin Ältester des ganzen Reußischen Geschlechts wurde. 
Als solcher hatte er die Leitung aller gemeinsamen Angelegenheiten 
und mancherlei Vorrechte; diese benutzte er mit Eifer und Klugheit 
zum Besten des ganzen Hauses und legte besonders den Grund zu 
der nachmaligen ausgezeichneten Familienverfassung desselben. 
Heinrich Posthumus war zweimal verheiratet, zuerst mit der 
Gräfin Magdalene von Hohenlohe-Waldenburg, welche ihm eine
	        
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